15.07.13

Zur Geschichte
Früher stützte sich die ärztliche Therapie überwiegend auf die individuelle, meist durch Beobachtungen gewonnene Erfahrung. Diese „Tradition“ findet sich heute noch in einzelnen Disziplinen der alternativen oder der ethnologischen Medizinrichtungen. Auch in der Erwartungshaltung des Patienten spielt die Erfahrung des Arztes, oft gleichgesetzt mit dem Alter, eine herausragende Rolle.

Bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden aber Forderungen laut, wonach ärztliche Therapien auch mit naturwissenschaftlichen Methoden zu beurteilen seien. Einfach formuliert, war dies die „Geburtsstunde des Beweises“ als Grundlage der Beurteilung einer medizinischen Behandlung. Heute gehört der Beweis oder der Nachweis der Wirksamkeit zum Standard der Zulassung und Verordnung von Medikamenten. Die Methoden der Beweisführung sind in der Regel vergleichende Studien.

Die persönliche Erfahrung hingegen hat etwas an Bedeutung verloren. Erfahrung allein gilt mittlerweile in der Medizin und anderen Wissenschaften als ein problematischer Ratgeber, da sie meisten verzerrt ist. Diese „Verzerrungen“ entstehen überwiegend dadurch, dass ein Mensch bevorzugt jene Informationen aufnimmt, die ihn in seinen Erwartungen bestätigen oder die er bereits kennt. Ähnliche „Fehlwahrnehmungen“ sind beispielsweise auch aus politischen Diskussionen, religiösen oder kulturellen Konflikten bekannt. Mit wissenschaftlichen, objektiv nachvollziehbaren Nachweisen will die  Evidenzbasierte Medizin (EbM) eine Barrikade gegen solche Denkfehler errichten.

Eine ärztliche Therapie im Sinne der Evidenzbasierten Medizin (EbM) stützt sich somit auf drei Säulen:

  1. den aktuellen Stand der klinischen Forschung
  2. die individuelle klinische Erfahrung von Ärzten und anderen Therapeuten
  3. die Wünsche des Patienten.

Dieser integrative Zugang ist grundsätzlich nicht neu. Neu und wesentlich für ist jedoch der strukturierte und systematische Zugang, mit dem eine möglichst transparente, zeitnahe und unverzerrte Berücksichtigung von Studienergebnissen erreicht werden soll.

Die Geschichte der Evidenzbasierten Medizin (EbM) ist aber noch nicht abgeschlossen. So können der Zugang zu Forschungsergebnissen und deren Objektivierung, der Austausch von individueller Erfahrung und die Rolle des Patienten sicher noch verbessert werden. Ein noch aktuelles Beispiel wäre die Forderung, auch abgebrochene Studien zu berücksichtigen, da aus ihnen viele Informationen über die Verträglichkeit oder Akzeptanz durch Patienten gewonnen werden könnten. Diese Forderung wird seit 2004 sukzessive umgesetzt.

Der Begriff Evidenz
Der Begriff Evidenz ist „tückisch“. Evident meint im Deutschen offenkundig, einleuchtend, klar auf der Hand liegend usw. Die internationale Sprache der Medizin ist jedoch englisch. Hier steht „Evidence“ für Nachweis oder Beleg. Die »Evidenz« in der Evidenzbasierten Medizin beruft sich daher nicht auf die Beobachtung (= offenkundig) sondern im englischen Sinne des Wortes auf die Beweislage aus wissenschaftlichen Studien und systematisch zusammengetragenen klinischen Daten, die einen Sachverhalt erhärten oder widerlegen.

Definition der Evidenzbasierten Medizin (EbM)
Die offiziellen Definitionen der verschiedenen Gesellschaften sind meist wissenschaftlich und entsprechend kryptisch formuliert. Der in Kanada lebende Epidemiologe David Sackett fasste 1996 die Kriterien für EbM etwas einfacher zusammen: »Evidenzbasierte Medizin ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der besten verfügbaren externen wissenschaftlichen Evidenz (Nachweise) für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Es bedarf der klinischen Erfahrung des Arztes und der Berücksichtigung der patientenindividuellen Situation, um die bestmögliche externe Evidenz (den bestmöglichen in Studien erbrachten Nachweis der Wirksamkeit) in eine für den individuellen Patienten bedarfsgerechte Therapieentscheidung umzusetzen. Gute Ärzte benutzen ihre eigene klinische Erfahrung und die beste verfügbare externe Evidenz, denn keines von beiden reicht für sich allein genommen aus.

Evidenzklassen (Evidenzstufen)
Grundlage der Beweisführung der Wirksamkeit einer Therapie sind in der Regel Studien, die sich jedoch hinsichtlich formaler und inhaltlicher Qualität deutlich unterscheiden können. Analog dazu werden sie in verschiedene Evidenzklassen unterteilt. Evidenzklassen beschreiben die Rangfolge der Qualität und somit die Rangfolge der Beweiskraft hinsichtlich der Wirksamkeit.

Die Evidenzklassen (ohne Erläuterung):

  • Stufe Ia: Wenigstens eine Metaanalyse auf der Basis methodisch hochwertiger randomisierter, kontrollierter Studien (RCT)
  • Stufe Ib: wenigstens ein ausreichend großer, methodisch hochwertiger RCT
  • Stufe IIa: wenigstens eine hochwertige Studie ohne Randomisierung
  • Stufe IIb: wenigstens eine hochwertige Studie eines anderen Typs, quasi-experimenteller Studie
  • Stufe III: mehr als eine methodisch hochwertige nichtexperimentelle Studie
  • Stufe IV: Meinungen und Überzeugungen von angesehenen Autoritäten (aus klinischer Erfahrung); Expertenkommissionen; beschreibende Studien
  • Stufe V: Fallserie oder eine oder mehrere Expertenmeinungen

Je besser das Design einer Studie ist, desto höher ist ihre Qualität. Je höher ihre Qualität ist, desto höher ist ihre Evidenzklasse. Und je höher ihre Evidenzklasse ist, desto eher kann daraus eine Therapieempfehlung abgeleitet werden.

Fazit
Osteoporose ist gut therapierbar. Eine verlässliche, gute und erfolgversprechende Therapie erhalten Sie, wenn die Kriterien der Evidenzbasierten Medizin (EbM) so weit wie möglich berücksichtigt werden:

  • Wirksamkeit des Medikamentes mit einer hohen Evidenzklasse belegt
  • Bestätigte Diagnose
  • Erfahrung des Arztes mit dem Medikament und der Erkrankung bei gleichzeitigem kollegialem Erfahrungsaustausch
  • Gute Akzeptanz des Medikamentes durch den Patienten (z.B. wenige Nebenwirkungen, passend zu den Lebensgewohnheiten, keine Interferenzen mit anderen Medikamenten etc.)

Solche Kriterien können nie hundertprozentig erfüllt werden. Angestrebt wird eine möglichst optimale Realisierung der geforderten Ansprüche. Dementsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolges. Eine Erfolgsgarantie kann ist aber nicht gegeben. Entscheidungshilfen sind die evidenzbasierten Leitlinien. Nach solchen Leit-oder Richtlinien handeln nicht nur Ärzte und Kliniken, sondern auch Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Ernährungsberater und viele mehr.

Obwohl noch lückenhaft und verbesserungswürdig sichert die Evidenzbasierte Medizin (EbM) bereits heute den vernünftigen Gebrauch und Einsatz von Behandlungsmethoden.

Arzneimittelzulassung
Die Arzneimittelzulassung erfolgt nach ähnlichen Gesichtspunkten, ebenfalls auf der Basis von Studien.

Der Gemein­same Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland.

Die Aussage zum Nutzen muss laut Gemeinsamem Bundesausschuss (GBA) durch mindestens eine wissenschaftliche Studie bewiesen sein.

Sind mehrere Studien zum gleichen Medikament vorhanden, wird auf Basis aller ausgewerteter Studien der Nutzen der Therapie beurteilt.

Quellen

 
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