04.06.13

Als Ursache für den bei einer Osteoporose vorliegenden Mangel an Knochenmatrix („Knochenschwund“) kann sowohl ein verzögerter Knochenaufbau als auch ein verstärkter Knochenabbau verantwortlich sein. Die genaue Abklärung der Ursache ist Gegenstand der Diagnostik.

In Abhängigkeit von dem diagnostischen Befund muss sich der behandelnde Arzt für ein Medikament zum Aufbau der Knochen oder ein Medikament, das den Knochenabbau verzögert, entscheiden. Für beide Situationen gibt es spezielle Medikamente, die zum Einsatz kommen können (siehe auch Artikel "Knochenaufbauende oder Knochenabbau verhindernde Osteoporosetherapie?"). In diesem Artikel stellen wir Ihnen die wichtigsten Medikamente zur Verhinderung des Knochenabbaus vor.
 
Das übergeordnete Ziel jeder Behandlung bleibt jedoch stets das Bemühen, den Knochenstoffwechsel mit Hilfe von Medikamenten anzuregen, um letztlich das Knochenbruchrisiko einzugrenzen oder evtl. sogar auszuschalten (Zitat. „Netzwerk Osteoporose –Osteoporose verstehen und lernen“).
 
Hinweis: Der nachfolgende Artikel soll das Wirkprinzip verschiedener Medikamente bei der Therapie einer Osteoporose erläutern und gleichzeitig auf Besonderheiten bei der Verabreichung eingehen. Gemeinsam ist allen hier gelisteten Medikamenten das Wirkprinzip der Hemmung des Knochenabbaus. Rückschlüsse auf die medizinische Bedeutung, die Wertigkeit (Aktualität) oder die individuelle Eignung können nicht abgeleitet werden.
 
Medikamente zur Verhinderung des Knochenabbaus
Zu diesen Medikamenten zählen alle Präparate, die die Osteoklasten (knochenabbauende Zellen) daean hindern über das gebotene Maß hinaus Knochenmatrix abzubauen. Diese Eigenschaft haben folgende Wirkstoffgruppen:
  • Bisphosphonate
  • Denosumab
  • Strontiumranelat
  • Raloxifen
  • Östrogene
Bisphosphonate
Bisphosphonate werden seit etwa 30 Jahren zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt. Daher gilt diese Wirkstoffgruppe als gut untersucht.
 
Die Bisphosphonate reichern sich auf der Oberfläche von Knochengewebe an, hemmen den Knochenabbau und führen so über viele Jahre zu einer positiven Knochenbilanz.
 
Der Aufbau von Knochenmasse und Knochendichte alleine ist aber nicht ausreichend für das Erreichen einer guten Knochenqualität. Für die Stabilität besonders wichtig sind auch Verstrebungen (Trabekel) im Inneren des Knochens, die in ihrer Gesamtheit als Knochenarchitektur bezeichnet werden. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Knochenbrüchen. Die Anforderungen an ein Medikament zur Behandlung der Osteoporose umfassen daher seine Auswirkungen auf sowohl die Knochendichte und auf die Knochenqualität.
 
Der Erfolg der Bisphosphonate liegt darin, dass sie zur Stabilisierung der Knochenarchitektur und damit zur Erhöhung der Knochenqualität beitragen.
 
Mit einer kontinuierlichen Einnahme der Bisphosphonate wird das Defizit der Knochen nicht nur ausgeglichen, sondern es können bis zu ca. 50 % der Wirbelkörperbrüche dadurch verhindert werden
 
Auswahl der Präparate und Dosierung
 
Die Auswahl und die Dosis der Bisphosphonat-Therapie richten sich nach dem Schweregrad der Erkrankung und den Risikofaktoren. Mittlerweile existiert eine große Anzahl unterschiedlicher Bisphosphonat-Wirkstoffe, die unter vielen verschiedenen Handelsnamen vertrieben werden.
 
Für den Patienten von besonderem Interesse ist vor allem die Darreichungsform. Man unterscheidet:
  • Bisphosphonate in Tablettenform
  • Bisphosphonate als „Drei-Monats-Spritze“
  • Bisphosphonate als „Jahresspritze“
Bisphosphonate in Tablettenform
Die am weitesten verbreiteten Wirkstoffe sind Alendronat, Ibandronat und Risedronat. Tabletten werden „oral“ eingenommen, d.h. über den Mund dem Verdauungssystem zugeführt.
 
Alendronat
 
Der Wirkstoff Alendronat ist für Frauen nach den Wechseljahren, für Männer mit Osteoporose und Patienten die mit Cortison behandelt werden, (tägliche Dosis ab 7,5 mg), zugelassen.
 
Alendronat wirkt bruchsenkend auf Wirbelkörper, Oberschenkelhals und periphere Knochen (= Brüche die nicht die Wirbelsäule betreffen).
 
Alendronat enthaltende Präparate gibt es mit und ohne Vitamin D. bekannte Handelsnamen sind Fosamax® oder Fosavance® und andere mehr.
 
Risedronat
 
Der Wirkstoff Risedronat (z.B. Actonel® oder andere ist wie Alendronat für Frauen nach den Wechseljahren, für Männer mit Osteoporose und Patienten die mit Cortison behandelt werden, (tägliche Dosis ab 7,5 mg), zugelassen und wirkt ebenfalls bruchsenkend auf Wirbelkörper, Oberschenkelhals und periphere Knochen (= Brüche die nicht die Wirbelsäule betreffen).
 
Ibandronat
 
Ibandronsäure gehört zur Gruppe der Bisphosphonate. Ibandronsäure gibt es als Tablette, die einmal monatlich eingenommen und als Spritze, die alle drei Monate verabreicht wird. Die Tablette und die Spritze können das Risiko, einen durch Osteoporose verursachten Knochenbruch zu erleiden, dann stark verringern, wenn sie regelmäßig und über mehrere Jahre eingenommen werden.
 
Unerwünschte Nebenwirkungen Biphosphonaten in Tablettenform
 
Bei nicht vorschriftsmäßiger Einnahme der Bisphosphonate können Entzündungen der Speiseröhre und der Magenschleimhaut auftreten. Patienten mit Krankheiten des Magen-Darmtraktes oder der Speiseröhre sollten deshalb vor Beginn der Therapie mit Ihrem behandelnden Arzt sprechen um evtl. das Medikament in Form von Spritzen oder als Infusion verabreicht zu bekommen. Ibandronsäure wird in den meisten Fällen gut vertragen. Die häufigste Nebenwirkung der Tablette sind Verdauungsbeschwerden.
 
Besonderheiten der Biphosphonate in Tablettenform
 
Um die Verfügbarkeit bezüglich der oralen Bisphosphonate für Ihren Körper (Bioverfügbarkeit) zu erhöhen und unerwünschte Nebenwirkungen auszuschließen, sollten Sie bei der Einnahme einige Vorschriften beachten.
 
Alendronat und Risedronat sollten wenigstens 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen werden.
 
Ibandronat sollte ca. 60 Min. vor dem Frühstück eingenommen werden. Die Einnahme sollte in aufrechter Haltung mit einem großen Glas Leitungswasser durchgeführt werden. Es wird empfohlen, sich nach der Einnahme nicht mehr hinzulegen, um einen Rückfluss des in der Auflösung befindlichen Medikamentes in die Speiseöhre zu verhindern.
 
30 bis 60 Minuten vor dem Frühstück sollen Sie keine anderen Getränke, feste Nahrung oder andere Medikamente zu sich nehmen.
 
Zwischen der Einnahme von Bisphosphonat und Kalzium sollte ebenfalls ein zeitlicher Abstand von mindestens 30 bis 60 Minuten eingehalten werden. Besser noch ist ein zeitabstand von 2 bis 4 Stunden.
 
Bisphosphonate als „Drei-Monats-Spritze“
Bei Patienten im hohen Alter, mehrfacher Erkrankungen und der oft damit verbundenen Mehrfachmedikation stehen Patient und Arzt vor dem Problem, inwieweit die regelmäßige Einnahme von Tabletten zuverlässig sichergestellt werden kann. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Wirkstoff Bisphosphonat als Spritze oder Infusion zu verabreichen. Das gilt auch für Patienten mit Erkrankungen des Magens oder des Darms.
 
Durch die Umgehung des Magen-Darmtraktes und der Speiseröhre werden eventuell schädliche Wechselwirkungen zwischen Erkrankung und Bisphosphonaten umgangen. Die Substanz kann ihre Wirkung direkt über die Blutbahn entfalten und entwickelt damit eine hohe Verfügbarkeit und Wirksamkeit des so verabreichten Wirkstoffes.
 
Als Spritze oder Infusion ist Ibandronsäure unter dem Handelsnamen Bonviva® auf dem Markt.
 
Unerwünschte Nebenwirkungen
 
Ibandronsäure als Spritze wird in den meisten Fällen gut vertragen. Die häufigste Nebenwirkung der Spritze sind grippeähnliche Symptome, die aber mit der Zeit abnehmen.
 
Bisphosphonate als „Jahresspritze“
Der Wirkstoff, der als Jahresspritze verbreicht werden kann, ist die Zoledronsäure. Sie ist zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern mit einem erhöhten Risiko für Frakturen, einschließlich Patienten mit einer kürzlich erlittenen niedrig-traumatischen Hüftfraktur.
 
Zoledronsäure ist eine gebrauchsfertige Lösung, die als Kurzinfusion über mindestens 15 Minuten verabreicht wird. Im Gegensatz zu Bisphosphonaten in Tablettenform werden über 60 % des Wirkstoffs danach innerhalb von 24 Stunden in den Knochen eingebaut.
 
Zoledronsäure ist als Aclasta® auf dem Markt. Es ist das einzige Bisphosphonat, das nur einmal jährlich angewendet werden muss. Die Infusionslösung ist gut verträglich.
 
Unerwünschte Nebenwirkungen
 
Häufigste Nebenwirkungen sind grippeähnliche Symptome in den ersten drei Tagen nach der Infusion. Sie treten meist nur bei der ersten Behandlung auf und betreffen etwa 15 % der Patienten. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind nicht bekannt.
 
Raloxifen
Bei Raloxifen ist eine östrogenartige Substanz, deren Wirkung auf die Knochen der Wirkung von Östrogenen entspricht. Die Wirkstoffgruppe wird auch unter dem Begriff Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERM) zusammengefasst.
 
Raloxifen ist für Frauen nach den Wechseljahren zugelassen. Die tägliche Einnahme erfolgt in Form von Tabletten, aber unabhängig von Tageszeit und Mahlzeiten. Besondere Vorschriften sind nicht zu beachten. Raloxifen ist auch für Patienten mit Magen- und Darmproblemen geeignet. Die Senkung der Wirbelkörperfrakturen ist über 4 Jahre hinweg ähnlich gut belegt wie bei den Bisphosphonaten.
 
Eine Raloxifen-Therapie sollte langfristig (ca. 3 - 5 Jahre) durchgeführt werden, da bei Beendigung der Therapie ein Rückgang der Knochendichte beobachtet wurde!
 
Unerwünschte Nebenwirkungen
 
Zu Beginn der Einnahme können unter einer Raloxifen-Therapie verstärkt Wechseljahresbeschwerden auftreten. Dazu zählen z. B. Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Wadenkrämpfe. Weiterhin wurden Beinvenenthrombosen und Lungenembolien beschrieben.
 
Zusätzlicher Nutzen einer Raloxifen-Therapie

Positive Nebeneffekte werden im Hinblick auf das Gesamtcholesterin und die Senkung von Brustkrebserkrankungen bei Frauen nach den Wechseljahren berichtet.

 
Östrogene
Östrogene sind weibliche Sexualhormone. Sie können Wirbelkörperbrüche und andere Knochenbrüche ähnlich wie die Bisphosphonate verhindern.
 
Während der Wechseljahre kommt es zu einem Abfall der körpereigenen Östrogene. Dadurch verschlechtert sich die Knochenqualität und das Knochenbruchrisiko steigt. Davon ausgehend bot sich eine Substitution von Östrogenen zur Behandlung der Osteoporose an. Unter der Einnahme von Östrogenen, so die Annahme, sind Frauen vor den typischen Wechseljahrbeschwerden und einer Osteoporose geschützt. Andererseits belegten Beobachtungen aber schon frühzeitig, dass durch die Einnahme von Östrogenen mehr Brustkrebs, Beinvenenthrombosen, Herzinfarkte und Schlaganfälle verursacht werden können.
 
Vor einer Östrogenbehandlung sollte sich daher jede Frau mit ihrem behandelnden Arzt über die ganz persönlichen Vor- und Nachteile beraten. Eine generelle Empfehlung zur Östrogentherapie kann nicht gegeben werden.
 
Denosumab
Denosumab ist eine gut wirksame und verträgliche Alternative zu Bisphosphonaten. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Medikament nur alle sechs Monate subkutan injiziert werden muss.
 
Der Wirkstoff ist ein monoklonaler Antikörper, der zur Gruppe der RANK-Ligand-Inhibitoren gehört, die zur Therapie der Osteoporose eingesetzt werden.
 
Kurze Einführung in das Wirkprinzip
 
Antikörper oder Immunglobuline sind vom Organismus gebildete Proteine, die von spezifischen weißen Blutkörperchen, den Plasmazellen, produziert und freigesetzt werden. Sie sind gegen Bestandteile eines Fremdstoffes (Antigens) wie z.B. Elemente einer Bakterienmembran oder andere Strukturen gerichtet und besitzen die Fähigkeit sich mit diesen zu verbinden. Aufgrund dieser Bindung entstehen neue erhalten die Fremdkörper neue Strukturen, die von eigens dafür spezialisierten Zellen des Immunsystems erkannt und zerstört werden.
 
Antikörperkönnen aber nicht nur gegen „körperfremde“ sondern auch gegen „körpereigene“ Strukturen gebildet werden, die dann ebenfalls zum Ziel der eigenen Immunabwehr werden. Daraus resultierende Erkrankungen zählen zum Formenkreis der Autoimmunerkrankungen.
 
Von anderen Organismen produzierte „fremde“ Antikörper sind seit langem erprobte und bewährte Medikamente. Als eines von vielen möglichen Beispielen sei hier nur der passive Impfschutz genannt, der ebenfalls auf der Applikation von Antikörpern beruht.
 
Monoklonal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle Antikörper aus genetisch gleichen Zellen gewonnen werden, was hinsichtlich der „Reinheit“ und der Qualität des Wirkstoffes enorme Vorteile bietet.
 
Am Knochenstoffwechsel sind vor allem zwei Zelltypen beteiligt: die Osteoblasten und die Osteoklasten. Die Osteoblasten bauen Knochensubstanz auf, die Osteoklasten zerstören sie, weshalb letztere auch als Knochenfresszellen bezeichnet werden. Das Nebeneinander von Knochenaufbau und Knochenabbau ist nicht nur wichtig für die Knochenstabilität, sondern auch für die Adaptierung des Knochens an unterschiedliche Belastungen.
 
Knochenfresszellen (Osteoklasten) entwickeln sich aus speziellen „Vorläuferzellen“. Die Umwandlung der Vorläuferzellen in aktive Osteoklasten erfolgt fast ausschließlich durch ein körpereigene Protein, das als RANKL bezeichnet wird.  Blockiert man dieses Protein, nimmt die Tätigkeit der Knochenfresszellen (Osteoklasten) und somit der Knochenabbau deutlich ab. Das Nebeneinander von Knochenaufbau und Knochenabbau verschiebt sich in Richtung Knochenaufbau, mehr Tragfähigkeit und mehr Stabilität.
 
Präparate, Indikation und Verabreichung
 
Denosumab ist unter dem Handelsnamen Prolia® u.a. auf dem Markt. Die Hauptindikation stellt die Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche dar. Darüber hinaus ist der Arzneistoff bei erwachsenen Patienten im Rahmen der Vorbeugung Komplikationen indiziert, die das Skelett betreffen. Meist handelt es sich dabei um feste Tumoren, die in die Knochen metastasiert haben.
 
Das Arzneimittel wird in Form einer Injektionslösung subkutan appliziert. Die Plasmahalbwertszeit beträgt durchschnittlich 26 Tage. Die Verträglichkeit ist gut.
 
Bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff, dem Vorliegen einer Hypokalzämie und während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte von einer Medikation mit Denosumab abgesehen werden.
 
Unerwünschte Nebenwirkungen
 
Unerwünschte Nebenwirkungen sind (ohne Angaben der Häufigkeit oder Anspruch auf Vollständigkeit): 
  • Überempfindlichkeit
  • Schwitzen
  • allergische Hautreaktionen: Hautausschlag, Ekzeme
  • Harnwegsinfektion
  • Störungen des Gastrointestinaltrakts wie Durchfall oder Verstofung
  • Schweratmigkeit, Infektionen der oberen Luftwege
  • Gliederschmerzen, Ischialgie
  • Hypophosphatämie, Hypokalzämie
  • Kieferosteonekrose (umgangssprachlich „Infarkt des Kieferknochens“ mit Absterben eines Teils des Kieferknochens)
 
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