05.08.18

Ausführungen zur medizinisch und wirtschaftlich sinnvollen medikamentösen Therapie der Osteoporose unter Berücksichtigung patientenindividueller Maßgaben.

Teil 2: Überlegungen zu medikamentösen Therapieoptionen.

Medikamentöse Stufentherapie

Wirbelkörperfrakturen und Hüftfrakturen als relevante sogenannte Frakturendpunkte bei Individuen bilden das Krankheitsbild der Osteoporose und den Nutzen einer Osteoporosetherapie besser ab, als die Summen aus Oberarmfrakturen, Radiusfrakturen, Hüftfrakturen und klinische Wirbelkörperfrakturen, die sogenannten "Major Fractures". Allerdings gibt keine direkten Vergleichsstudien zu Osteoporosetherapien mit Frakturendpunkten. Näherungsweise werden deshalb Wirkstärkenvergleiche verschiedener Therapieoptionen anhand von Metaanalysen angestrebt, die jedoch nicht immer zu konsistenten Ergebnissen führen.

Eine Metaanalyse ist eine Zusammenfassung von Untersuchungen, die mit quantitativen und statistischen Mitteln arbeitet. Sie versucht frühere Forschungsarbeiten quantitativ bzw. statistisch zusammenzufassen und zu präsentieren (Wikipedia).

Eventuelle Wirkstärkenunterschiede der möglichen Medikamentenverordnung als Ergebnis von Metaanalysen sind daher ohne konkurrierende Vergleichsstudien nicht ausreichend belastbar und damit nicht relevant für eine Bevorzugung einer Therapieentscheidung, so dass die Auswahl eines geeigneten Arzneimittels anhand der individuellen Patientenkonstellation (Risikoprofil, Kontraindikationen, Begleiterkrankungen, Unverträglichkeiten) und der Kosten getroffen werden muss.

Medikamentöse Therapieoptionen (Stufen)

  • Basistherapie
  • Bisphosphonat
  • Denosumab
  • Parathormon
  • Strontiumranelat
  • Raloxifen
  • Östrogene

Basistherapie

Bei gravierenden Risikofaktoren und ohne Vorliegen osteoporotischer Brüche ist bei normaler (T-Wert > -1) oder osteopenischer Knochendichte (T-Wert -1 bis -2,5) eine Basistherapie mit Calcium und Vitamin D zweckmäßig

Im Erwachsenenalter wird eine Gesamtaufnahme von mindestens 1000 mg pro Tag Calcium (über Ernährung, Flüssigkeitskonsum und Supplementation) empfohlen. Gleichzeitig sollte eine ausreichende Vitamin D Substitution erfolgen. Empfohlen wird eine Aufnahme von 800 bis 1.000 I.E. Vitamin D pro Tag.

Neuesten Erkenntnissen zufolge ist eine calciumreiche Diät nicht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert!

Bisphosphonat

Die Einleitung einer Antiosteoporosetherapie erfolgt stets mit einer Basistherapie plus einem oralem (über den Verdauungstrakt zugeführtem) Bisphosphonat, beispielsweise Alendronsäure, Risedronsäure oder Ibandronsäure. Hierbei muss überprüft werden:

  • die Verträglichkeit der Substanz
  • die Einhaltung einer strikt regelmäßigen Einnahme unter Beachtung des Einnahmemodus (nüchtern, 30 bis 60 Minuten vor dem Frühstück mit einem großen Schluck Leitungswasser in aufrechter Position, keine gleichzeitige Einnahme anderer Wirkstoffe)
  • die Vermeidung einer gleichzeitigen Einnahme von Calciumpräparaten (cave: Komplexbildung zwischen Calcium und Bisphosphonat)

Für den Beginn einer gezielten Therapie mit Alendronsäure oder Risedronsäure sprechen das breite zugelassene Indikationsspektrum, die orale Darreichungsform, bekannte Langzeitwirkungen und wirtschaftliche Gründe (Kosten, Verfügbarkeit generischer Präparate).

Ein intravenöses Bisphosphonat (z.B. Ibandronsäure, Zoledronsäure) ist gerechtfertigt bei

  • zeitlich eindeutig assoziierbaren gastrointestinalen Unverträglichkeitsreaktionen unter oraler Bisphosphonat-Therapie
  • Bettlägerigkeit
  • Malassimilation (krankheitsbedingte schlechte Aufnahme aus dem gatrointestinaltrakt beispielsweise bei Morbus Crohn,Colitis ulcerosa oder Erkrankungen der Baucspeicheldrüse)
  •  Erkrankungen der Speiseröhre
  • Schluckstörungen
  • fehlende Adhärenz (Übereinstimmung mit den zwischen Arzt und Patienten vereinbarten Empfehlungen)

Risikofaktoren oder Einschränkungen (Vorhofflimmern, zahnärztliche Behandlung etc. ) sind mit dem behandelnden Arzt zu erörtern.

Bbei der Wirkstoffauswahl ist die Zulassung der einzelnen Präparate zu beachten. Für die Behandlung der glukokortikoid-induzierten Osteoporose sind als zugelassene Alternativen die Wirkstoffe Alendronsäure, Risedronsäure und Zoledronsäure verfügbar. Folgende Bisphosphonate zur Behandlung der Osteoporose sind bei Männern zugelassen: Alendronsäure, Risedronsäure und Zoledronsäure. Der Einsatz anderer Wirkstoffen stellt bei Männern einen Off-Label-Use dar.

Off-Label Use (engl.) bezeichnet die Verordnung eines Fertigarzneimittels außerhalb des durch die Arzneimittelbehörden zugelassen Gebrauchs. Die Verwendung kann im Anwendungsgebiet oder der Anwendungsart von der Zulassung abweichen. Im Deutschen spricht man dabei von zulassungsüberschreitender Anwendung (Wikipedia).

Bei Bisphosphonat-Unverträglichkeit oder fragwürdiger Wirksamkeit (trotz guter Compliance keine Abnahme der Frakturhäufigkeit in den ersten ein bis zwei Jahren der Behandlung) können alternative Präparate entsprechend ihrer Zulassung eingesetzt werden. (Substanzwechsel).

Denosumab

Denosumab kann bei einer Kreatinin-Clearance ≤ 40 ml / min oder bei Bisphosphonat-Unverträglichkeit verabreicht werden. Die Kreatinin-Clearance ist ein Parameter zur Beurteilung der Nierenfunktion.

Denosumab reduziert das Risiko für osteoporotische Frakturen im Vergleich zu Placebo. Direkte Vergleiche mit Bisphosphonaten liegen nicht vor, ein klinischer Vorteil ist somit bezüglich der Frakturhäufigkeit nicht nachgewiesen.

Diskutiert werden schwere symptomatische Hypokalzämien unter Denosumab. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft empfiehlt daher, vor einer Behandlung mit Denosumab die Calciumkonzentration im Blutserum zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Unter der Behandlung ist auf eine ausreichende Gesamtzufuhr an Calcium und Vitamin D zu achten (1000 mg Calcium und 1000 IE Vitamin D3 täglich). Ausnahme hiervon bildeten Patienten mit Hyperkalzämie. In jedem Falle sollten die mit Denosumab behandelten Patienten über mögliche Symptome einer Hypokalzämie, wie z.B. Taubheitsgefühl um den Mund, Parästhesien ("Kribbeln") an den Extremitäten, Muskelkrämpfe, Erschöpfung, Übererregbarkeit, Angstzustände oder Depression, aufgeklärt werden.

Parathormon

Gegenüber Bisphosphonaten wurde keine stärkere frakturrisikosenkende Wirkung des rund 35-mal teureren Teriparatids nachgewiesen. Nach der Arzneimittel-Richtlinie (Anlage IV) ist Teriparatid zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen nur Mittel der zweiten Wahl. Die Verordnung bleibt folgenden Ausnahmefällen vorbehalten:

  • nur bei manifester Osteoporose mit mindestens zwei neuen Frakturen in den letzten 18 Monaten (die beispielsweise nach initialer ein- bis zweijähriger Bisphosphonat- Therapie auftreten)
  • nach Absetzen des Bisphosphonats oder anderer Antiosteoporotika aufgrund von Unverträglichkeiten (ösophageale Ulcera, Erosionen, Strikturen oder entsprechende schwere gastrointestinale Symptome)
  • bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegenüber Raloxifen.

Der Wechsel auf ein Parathormon-Präparat kann sinnvoll sein, wenn trotz ein- bis zweijähriger konsequenter Pharmakotherapie einer primären Osteoporose mehrere neue Knochen- oder Wirbelbrüche aufgetreten sind. Bei manifester glukokortikoid-induzierter Osteoporose mit mehreren Knochenbrüchen kann auch der primäre Parathormon-Einsatz zweckmäßig sein, wobei die Therapie immer nach maximal zwei Jahren beendet und kein zweites Mal durchgeführt wird.
Antiosteoporotische Kombinationstherapien (z. B. Bisphosphonat plus Parathormon) zusätzlich zur Basistherapie sind nicht zweckmäßig, da keine additiven Wirkungen auf die Senkung des Frakturrisikos belegt sind.

Strontiumranelat

Der Herstelle hatte angekündigt, ab 31. August die Produktion und den Vertrieb von Protelos® (Strontiumranelat 2g) weltweit einzustellen. In Deutschland wird Protelos® über August 2017 hinaus aber noch einige Zeit zur Verfügung stehen, um Patienten auf andere Medikamente umstellen zu können.

Raloxifen

Raloxifen ist bei bereits aufgetretenen Thromboembolien kontraindiziert. Wegen der Erhohung des Thromboembolie-Risikos sollte dieses Arzneimittel auch nicht bei adiposen oder Tumor-Patienten eingesetzt werden. Allerdings kann Raloxifen bei Patientinnen mit gleichzeitigem ostrogenrezeptorpositiven Mammakarzinom günstig sein, kann aber andererseits Postmenopause-Beschwerden auslösen oder verstärken.

Östrogene

Östrogene haben ebenfalls eine nachgewiesene frakturpräventive Wirkung. Nach heutigem Kenntnisstand erhöhen sie allerdings das Risiko für eine Reihe von Erkrankungen (z.B. Thromboembolie, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Mamma-/Uteruskarzinom, Alzheimer-Demenz), weshalb sie derzeit nicht zur Osteoporosebehandlung eingesetzt werden, sofern nicht gravierende östrogendefizitbedingte Beschwerdebilder im Rahmen der Postmenopause vorliegen.

Weitere Artikel zu diesem Thema

  • Medikamentöse Therapie der Osteoporose - Indikation
    (dieser Artikel)
    www.ihrarzt.de
  • Medikamentöse Therapie der Osteoporose - Medikamentöse Optionen
    www.ihrarzt.de
  • Medikamentöse Therapie der Osteoporose - Substanzwechsel
    www.ihrarzt.de

Quellen:

  • Medikamentöse Therapie der Osteoporose
    Gemeinsame Prüfungseinrichtungen Baden-Württemberg

    Diese Ausarbeitung basiert auf dem Übersichtsartikel  "Zweckmäßigen medikamentösen Therapie der Osteoporose" der KV BW, welcher in Kooperation mit Prof. Dr. Dr. med. Christian Kasperk, Universitätsklinikum Heidelberg, erstellt und im Verordnungsforum 25 veröffentlicht wurde.