01.01.17

Teil 4: engagiert in eigener Sache! Rehabilitation in Selbsthilfegruppen am Beispiel Osteoporose.

Selbsthilfe

Menschen mit gleichen Schicksalen, diedownload sich in Gruppen organisieren, verstehen etwas von den geteilten Schicksalen und können sich gegenseitig stützen und Mut zu machen. Das gilt in besonderem Maße auch für chronische Erkrankungen wie beispielsweise die Osteoporose.

Patienten mit Osteoporose können und müssen aktiv gegen das Voranschreiten der Krankheit ankämpfen. Wirksame Mittel sind Sport und Bewegung, beides Tätigkeiten, die in einer Gruppe leichter fallen, einfacher zu organisieren sind und bei entsprechender Betreuung durch fachkundiges Personal effizienter getaltet werden können.

Wie sich Selbsthilfe in Deutschland entwickelt hat

Selbsthilfe entsteht immer da, wo es keine gesellschaftlich vorgezeichneten Lösungen für
Probleme gibt. So lassen sich die Zünfte in der vorindustrialisierten Zeit, Genossenschaften oder Berufsverbände ebenfalls weitgehend als Selbsthilfezusammenschlüsse bezeichnen.

Die Selbsthilfe in der heutigen Form ist ein Kind der späten 70er Jahre, in denen alternative Lösungsansätze zu wohlfahrtsstaatlichen Lösungen entstanden sind. Ende der 80er Jahre wurde die Selbsthilfe nach vielen Forschungsarbeiten dann auch von den etablierten Leistungsträgern wie Krankenkassen und Rententrägern weitgehend anerkannt.

Im Bericht der Enquetekommission "Bürgerschaftliches Engagement" aus dem Jahr 2002 wird die kollektive Selbsthilfe als wesentliches Element aktiver gesellschaftlicher Bürgerbeteiligung beschrieben, verbunden mit der Aufforderung an die Bundesregierung, konkrete Schritte für die Selbsthilfeförderung anzugehen.

In den letzten Jahren erlebt Selbsthilfe einen  Aufschwung. Obwohl sich derzeit nur etwa 3%
der Bürger/innen in Selbsthilfegruppen organisieren, haben Selbsthilfegruppen deutlich steigende Mitgliedszahlen. Mit der gesteigerten und inzwischen erworbenen internen Professionalisierung der Selbsthilfe ist die allgemeine Akzeptanz größer geworden und die politischen Rahmenbedingungen wurden verbessert. (Quelle: Netzwerk Osteoporose)

Das Selbstverständnis

Das Selbstverständnis der modernen Selbsthilfe ist, jedem Patienten eine solide Basis für Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu schaffen. Wege zum Ziel sind:

  1. Wissen durch Beratung und Aufklärung
  2. Kontakte knüpfen um Wege zu ebnen
  3. Motivation stärken durch unterstützen, aufbauen, anspornen und begleiten

Ergänzend dient die Selbsthilfe

  1. der Unterstützung der sozialstaatlichen Versorgung
  2. der Reduzierung der Kosten im Gesundheitswesen
  3. der organisatorischen und medizinischen Entlastung der professionellen Versorgung

Wirtschaftliches und gesellschaftliches Benefit

Unstrittig ist, dass die freiwillige Arbeit der Selbsthilfegruppen erhebliche Kosten im Gesundheitswesen einspart, die allerdings nur schwer zu beziffern sind. Schätzungen gehen von jährlich über zwei Milliarden Euro aus.

Da die Selbsthilfe zunimmt und mittlerweile gesellschaftlich etabliert ist, wächst auch die Akzeptanz bei den professionellen Anbietern im Gesundheitswesen. Bereits mit der Gesundheitsreform im Jahr 2000 wurden die gesetzlichen Krankenkassen mit dem § 20, 4 SGB V (Sozialgesetzbuch) verpflichtet, die Selbsthilfebewegung finanziell zu fördern.

Seit dem 1. Januar 2008 wurde die bisherige Förderpraxis für gesundheitsbezogene
Selbsthilfeeinrichtungen auf zwei Stränge umgestellt. Neben der bisherigen krankenkassenspezifischen Förderung wurde die kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung neu eingeführt.

Neu ist auch, dass es sich nicht mehr um eine Sollregelung, sondern um eine Förderverpflichtung handelt. Pro Versicherten stellen die Kassen 0,59 Euro (Stand 2012) für die Förderung der Selbsthilfe zur Verfügung. Davon sind mindestens 50 % für die kassenübergreifende Gemeinschaftsförderung vorgesehen. Die restlichen Fördermittel verbleiben den Krankenkassen für die krankenkassenindividuelle Selbsthilfeförderung.

Obwohl das  Potential von Selbsthilfeaktivitäten bis heute ungebrochen ist, werden sicher
noch Jahrzehnte vergehen, bevor das Gesundheitswesen und die Patienten diese Möglichkeiten voll nutzen werden.      

Was kann die Osteoporose Selbsthilfegruppe leisten?

Eine bereits 1995 durchgeführte Befragung anhand von standardisierten Fragebögen, in denen Osteoporosepatienten nach den Vorteilen der Gruppenarbeit befragt wurden, gibt Auskunft über den individuellen empfundenen Mehrwert (in bewerteter Reihenfolge):

  1. komme mit meiner Krankheit besser zurecht
  2. bin insgesamt zufriedener
  3. fühle mich insgesamt aktiver
  4. fühle mich insgesamt gesünder
  5. komme privat besser klar
  6. komme beruflich besser klar (Freude)
  7. kann mich im Beruf besser durchsetzen
  8. habe meine Rolle in der Familie positiv verändert

Einen besonderen Wert in der Selbsthilfe zur Osteoporose hat die sportliche Betätigung. Ihre Ziele werden von offizieller Seite wie folgt definiert.

  • Fraktur- und Sturzprophylaxe
    (bringt verbessertes Risikoverhalten und verbesserte Mobilität)
  • Muskuläre Stabilisierung
    (bringt Erleichterung der Arbeits- und Alltagsroutine)
  • Schmerzlinderung und Schmerzvermeidung
    (bringt Reduktion der Medikamenteneinnahme und Verbesserung der psychosozialen Situation)
  • Verbesserung des Knochenstoffwechsels
    (bringt Verminderung der Arztbesuche und der volkswirtschaftlichen Kosten)

Selbsthilfe ist eine sinnvolle Ergänzung zur professionellen Therapie!

Wo finde ich eine geeignete Selbsthilfegruppe?

Fragen Sie Ihren Orthopäden, Ihre Krankenkasse oder verwenden Sie die online vom Netzwerk Osteoporose zur Verfügung gestellte(nicht ganz aktuelle)  Liste. Alternativ können Sie auch eine Gruppe gründen. Informationen dazu finden Sie ebenfalls beim Netzwerk Osteoporose.

Selbsthilfe ist professionell

Osteoporosepatienten sind aktiv! In Deutschland wird je Gruppenmitglied ein bis dreimal wöchentlich in ca. 1.200 Osteoporosegruppen Rehasport und Funktionstraining betrieben.

Die Übungen erfolgen unter Anleitung von Übungsleitern, Physiotherapeuten und Sportlehrern. Die Übungsleiter/innen müssen eine spezielle Zusatzausbildung zum Krankheitsbild Osteoporose absolviert und nachgewiesen haben.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) hat dazu eigens eine Rahmenvereinbarung mit den Rehasport und Selbsthilfeverbänden erstellt. In dieser  Rahmenvereinbarung werden z. B. die Anerkennung der Gruppen, Antragstellung, Gewährleistung, Durchführung und finanzielle Bezuschussung für Rehabilitationssport und Funktionstraining usw. durch die Krankenkassen geregelt.

Lesen Sie auch:

Rehabilitation:

  • Teil 1: Allgemeines zur Rehabilitation
  • Teil 2: Durch Physiotherapie und Bewegungstherapie zur Rehabilitation
  • Teil 3: Patienten mit orthopädischen Leiden profitieren sowohl vom Rehabilitationssport als auch von speziell angebotenem Funktionstraining. Was sollte bei beachtet werden?