11.10.15
Der chronische Schmerz bei Osteoporose
Die folgenden Erläuterungen gelten für alle Schmerzen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates. Daher dienen Sie auch als Erklärungsmodell für die Schmerzwahrnehmung bei Vorliegen einer Osteoporose.
Der “spinale Crosstalk”
Häufig lässt sich beobachten, dass der Schmerz beim Vorliegen einer Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates von der ursprünglich kranken auf die gesund Seite wechselt. Dieser Artikel klärt die Frage weshalb dieser “Crosstalk” möglich ist.
Da in dem gesamten Nervennetzwerk des Körpers ein andauernder Austausch von Informationen stattfindet, kann es vorkommen – und das ist häufig der Fall – dass die primär begrenzte schmerzhafte Zone nicht nur ausdehnt, sondern manchmal auch auf die Gegenseite übergreift.
Veränderungen an Nervenzellen im Rückenmark findet man mitunter bereits nach einem ein- bis zweiwöchigen ständigen Schmerzreiz – und zwar nicht nur an der Stelle, die gereizt wurde, sondern auch auf der Gegenseite. Dieser Vorgang wird als “spinaler Crosstalk” bezeichnet und lässt sich durch einen Kurzschluss auf Rückenmarksebene erklären. Damit wird z. B. klar, warum ein Patient mit einem so genannten Tennisellenbogen gelegentlich über Schmerzen in beiden Ellenbogen klagt.
Das ständige miteinander Kommunizieren der Nervenzellen auf der Rückenmarksebene erklärt auch, weshalb mit der Behandlung der gesunden Seite auch die andere, kranke Seite geheilt wird. Das macht man sich zum Beispiel bei der Behandlung der Trigeminusneuralgie zu Nutze. Oft ist der Gesichtsschmerz so heftig, dass der Patient nicht die geringste Berührung der kranken Seite ertragen kann. Deshalb beginnt der Therapeut z. B. mit einer Akupunktur zuerst an der gesunden Gesichtshälfte. Da die Nervenzellen untereinander in Verbindung stehen, gelangt die Information auch auf die kranke Seite.
Kurzschlüsse zwischen Neuronen
Ähnlich einer Telefonleitung, die nach einer Trennung die Informationen nicht mehr leiten kann, sollten durchtrennte Nervenfasern eigentlich jede Empfindung unterbrechen. Oft ist aber genau das Gegenteil der Fall. Das liegt unter anderem daran, dass es bei Nervenverletzungen zu ausufernden Warnungen zwischen Nervenzellen außerhalb des normalen Pfades der Informationsleitung kommt – zu einem so genannten “Crosstalk” oder Kurzschluss.
Da die beteiligten Neuronen meist ganz unterschiedliche Funktionen haben, kann es sein, dass ein Crosstalk zwischen motorischer Aktivität eines Motorneurons und Schmerzimpulsen eines sensiblen Neurons entsteht.
Motorische Neuronen (Nervenzellen) lösen eine Muskelkontraktion aus Sensible Neuronen (Nervenzellen) leiten Empfindungen wie Temperatur, Druck oder eben Schmerz vom Ort der Entstehung zum Gehirn, wo sie realisiert, d.h. wahrgenommen werden.
Ein Kurzschluss zwischen Neuronen ereignet sich dann beispielsweise so, dass, wenn man den rechten Arm hebt, ein Motorneuron im Rückenmark aktiv wird und Signale sendet. Diese Signale können auf ein sensibles Neuron überspringen, das aber jetzt an das Gehirn das Signal “Schmerz” meldet. Eine einfache Bewegung wird so in ein Schmerzsignal umgewandelt. Auch an der Körperoberfläche sind solche Kurzschlüsse zwischen Schaltstellten (Synapsen) benachbarter Neurone möglich.
Bei den beschriebenen Kurzschlüssen werden sensible Neuronen möglicherweise übererregbar und führen zu Kurzschlussentladungen, auf der Basis von Veränderungen der Ionenkanäle, insbesondere für Natrium. Die phxsiologischen Vorgänge an den Ionenkanälen sind sehr komplex und sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Am Ende entwickelt sich eine Übererregbarkeit der Nervenzelle.Durch die Übererregbarkeit kommt es auch zu einer zentralen Sensibilisierung bis hin zur Allodynie(Shmerzempfindung): Hier werden leichteste Berührungen als Schmerz wahrgenommen.
Quelle:
-
Endlich weniger Schmerzen: Ihre Schmerzen besser verstehen ; Schritt für Schritt chronische Schmerzen verlernen ; bekannte und neue Therapien: was sie wirklich leisten
Robert Reining, Anita Schweiger
Georg Thieme Verlag, 2006 - 207 Seiten
Lesen Sie bitte auch:
Physiologische Hintergründe zur Schmerzprojektion,
Teil 1: Dauer, Funktion, Auslösung und der Verlust der zentralen Schmerzhemmung.