23.04.21

Rückenschmerzen werden häufig mit Erkrankungen oder Veränderungen des Skelettes,insbesondere der Wirbelsäule assoziiert. Schäden an Knochen und Bandscheiben spielen - genau wie Erkrankungen des Nervensystems - tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Schmerzen im Bereich des Rückens,der Hüfte oder des Halsregion.

Weniger bekannt ist, dass die Gründe für die vor allem als akute Rücken-oder Kreuzschmerzen wahrgenommenen Beschwerden meistens auf Veränderungen der Muskulatur zurückzuführen sind. Akute Muskelverspannungen oder Fehlhaltungen infolge mangelhaft ausgebildeter Muskulatur sind die häufigsten Ursachen für akute oder chronischen Rückenleiden. Damit erklärt sich auch die Bedeutung des Bewegungstrainings für die Prävention und Therapie von Rückenleiden.

In den Werbekampagnen vieler Fitnesscenter und Rehaeinrichtungen werden diese Zusammenhänge (meistens korrekt) berücksichtigt und entsprechend professionell präsentiert. Um aktuell zu bleiben, werden dabei allerdings nicht selten seit langem bekannte anatomische, biochemische oder physiologische Fakten als neue und wichtige Erkenntnisse aufgebauscht. So entsteht der Eindruck von Kompetenz und Notwendigkeit, auch dann wenn aus fachlicher Sicht ein unmittelbarer zielführender Mehrgewinn nicht immer offensichtlich ist.

Ein Begriff, der seit geraumer Zeit im Zusammenhang mit der Stärkung der Rückenmuskulatur als vorbeugende Maßnahme bei Rückenleiden “gehypt” wird, sind die “Satellitenzellen”. Was sind Satellitenzellen und welche Bedeutung haben sie?

Als Satellitenzellen werden zwei verschiedene Arten von Zellen bezeichnet (Zitat: Wikipedia):

  1. eine bestimmte Art von Gliazellen (im Nervensystem); sie sind auch unter den Namen Mantelzellen oder Amphizyten bekannt
  2. eine Art von Myoblasten, die eine beschränkte Regenerationsfähigkeit der Skelettmuskulatur ermöglichen.

Anders als der Herzmuskel besitzt die Muskulatur der Fortbewegungsorgane die Möglichkeit der Selbstheilung. Verantwortlich hierfür sind muskelspezifische Stammzellen, die auch als Satellitenzellen bezeichnet werden. Bei Bedarf vermehren sich diese auf den Muskelfasern liegenden Zellen und ersetzen geschädigte Muskelzellen.

Ob Muskelkater oder eine Zerrung - Schädigungen in der Skelettmuskulatur können schmerzhaft sein, sind oft aber innerhalb weniger Tage auskuriert. Verantwortlich für diese schnelle Regeneration sind diese Satellitenzellen. Ihren Namen verdanken sie ihrer isolierten Lage rund um die Muskelfasern. Bei einer Schädigung des Muskels vermehren sich die Satellitenzellen in kurzer Zeit stark durch Zellteilung und ersetzen anschließend die geschädigten Muskeln durch Verschmelzung zu neuen Muskelzellen. Dabei sorgen die Zellen gleichzeitig selbst dafür, dass der Vorrat an Satellitenzellen zeitlebens nie vollständig ausgeht. Mit zunehmendem Alter nimmt ihre Zahl allerdings ab, so dass Muskelverletzungen langsamer ausheilen und die Muskelkräfte im Alter schwinden.

Muskelkraft und Beweglichkeit im Alter sind jedoch wesentliche Faktoren, um Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie Rückenleiden vorzubeugen. Zudem erhöht eine verbesserte Mobilität die Lebensqualität (Zitat: Max-Planck-Gesellschaft). 

Eine gezielte Beeinflussung der Satellitenzellen verbessert daher die Muskelkraft und Muskelerneuerung. Auf molekularer Ebene, beispielsweise durch Medikamente, ist derzeit nicht möglich. Eine indirekte Beeinflussung der Aktivität der Satellitenzellen durch das Setzen von kleinen Verletzungen, den sogenannten Mikrotraumen, ist natürlich möglich, da durch diese Muskelschädigungen die ureigene Funktion der Satelliten aktiviert wird.

Der medizinisch physiologische Stand der Dinge ist etwa wie folgt:

Durch hohe Intensitäten im Krafttraining können Mikrotraumata in der Muskelzelle entstehen, die dazu führen, dass die Muskelzelle zunächst durch so genannte Satellitenzellen “repariert” wird. Die Satellitenzellen proliferieren (“sprossen und wachsen”) durch geeignete Trainingsreize, werden aktiviert und verschmelzen mit den zusammenziehbaren Fasern des Muskelgewebes (Myofibrillen). Dadurch vergrößert sich das Zellkernmaterial und es werden mehr Zellkerne in der Muskelzelle angelegt. Diese bleiben wahrscheinlich auch nach Beendigung eines Krafttrainings über einen längeren Zeitraum, möglicherweise sogar zeitlebens, vorhanden und können bei erneutem oder intensiviertem Training schnell aktiviert werden und die Proteinsyntheserate beschleunigen. (Zitat: Definierte Muskeln: Zur Bedeutung von Krafttraining für die Gesundheit, Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin)

Geht man davon aus, dass Muskelarbeit und insbesondere Krafttraining immer zu Mikrotraumen der Muskelfasern führt, gilt folgerichtig auch die Schlussfolgerung, dass Training zu einer vermehrten Aktivität der Satellitenzellen und somit zu einer “Erneuerung” und “Zunahme” der Muskulatur führt.

Werbeaussagen wie “Eine kontinuierliche körperliche Aktivität erhöht die Anzahl der Satellitenzellen” oder “dauerhaftes und regelmäßiges Krafttraining steigert die Anzahl der Satellitenzellen” sind daher zwar richtig, erläutern aber lediglich einen bestehenden physiologischen Sachverhalt. Das somit beworbene Krafttraining hat dadurch kein Alleinstellungsmerkmal.

Wichtig ist, dass Sie überhaupt trainieren , sich regelmäßig bewegen und Ihre Risikofaktoren wie Übergewicht, falsches Tragen und Heben etc. minimieren. Bei der Auswahl Ihres Fitnessanbieters sind andere Präferenzen wie Ausbildung, Erreichbarkeit, Kosten oder die dort vermittelte Motivation wichtiger als Hochglanzbrochüren mit langen Texten.

Quellen: