05.05.19

Existiert ein Zusammenhang zwischen einer verminderten Magensäureproduktion und der Entwicklung einer Osteoporose?

Ernährung und Osteoporose stehen im engen Zusammenhang. Falsche, insbesondere kalziumarme Ernährung ist einer der vielen, die Entwicklung einer Osteoporose fördernden Risikofaktoren. Doch nicht nur alleine die Nahrungszufuhr, sondern auch die im Magen- Darmtrakt stattfindende Verwertung der aufgenommenen Nahrung ist ein Baustein dessen, was sich unter dem Begriff Ernährung zusammenfassen lässt. Im Verdauungsprozess kommt der Magensäure eine nicht unerhebliche Bedeutung zu.

Was haben aber poröse Knochen und die Produktion von Magensäure miteinander zu tun? Dieser Frage sind Ärzte des Instituts für Osteologie und Biomechanik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf bereits vor einigen Jahren nachgegangen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen ergaben zwar keine neuen grundlegenden Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Magensäureproduktion und der Vrstoffwechselung von Kalzium, überraschten aber durch die Aussage, dass diese Zusammenhänge in ihrer Bedeutung stark unterschätzt wurden.

Durch Untersuchungen an Mäusen konnte belegt werden, dass das für die Stabilität und Festigkeit von Knochengewebe unverzichtbare Kalzium bei zu wenig Säure, bzw. einem erhöhten pH-Wert im Magen, nur schlecht vom Körper aus der Nahrung oder aus Arzneimitteln aufgenommen wird. Das Ergebnis des daraus resultierenden Kalziummangels war die Entwicklung einer Osteoporose bei den Versuchtieren. In nachfolgenden Untersuchungen an Menschen konnten diese Ergebnisse bestätigt werden.

Diese Zusammenhänge und Untersuchungsergebnisse sind klinisch nicht zu unterschätzen, da eine gestörte Magensäurebildung gerade bei älteren Menschen keine Seltenheit: ist. "Fast ein Drittel der über 60-Jährigen produziert zu wenig Magensäure - entweder wegen einer Magenerkrankung oder hervorgerufen durch die Einnahme von Magensäurehemmern (Zitat: Prof. Dr. M. Amling, Direktor des Instituts für Osteologie und Biomechanik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf).

Magensäurehemmer, oder so genannte Protonenpumpenhemmer, werden eingenommen, damit die Magensäurebildung abnimmt. Protonenpumpenhemmer werden daher auch "Magenschutz" genannt. Ihr Wirkmechanismus ist die Hemmung bestimmter an der Produktion von Magensäure beteiligten ENzyme. Typische Indikationen für ihre Verschreibung sind die Behandlung des bakteriellen Erregers Helicobacter pylori, die Behandlung der Refluxkrankheit, einhergehend mit Sodbrennen sowie die Therapie und insbesondere Prophylaxe des Magen- und Duodenalulkus. Auch beim "harmlosen" Reizmagensyndrom wird diese Substanzgruppe unkritisch eingesetzt, obwohl es für diese Indikation keine gesicherte wissenschaftliche Evidenz gibt. Einige dieser Arzneimittel können sogar rezeptfrei erworben werden (Stichwort Selbstmedikation).

Schmerzhafte Folgen einer Osteoporose werden häufig mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern (NSAR) behandelt (Diclofenac® , Ibuprofen® etc.). Ein Problem dieser Schmerzmittel stellen jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen wie Magen- und Darmgeschwüre dar. Deshalb werden NSAR bei Risikopatienten ebenfalls gerne mit den genannten "Magenschutz" Medikamenten gemeinsam verschrieben. Heute werden dazu vorwiegend die Protonenpumpen-Inhibitoren verwendet, die wie in Hamburg Eppendorf beschrieben eine Verwertung von Kalziumaufnahme negativ beeinflussen. An dieser Stelle entwickelt sich ein für den Patienten fataler Kreislauf, der unterbrochen werden muss.

In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Ergebnis der Untersuchungen des Instituts für Osteologie und Biomechanik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf von Interesse. Offensichtlich ist der beschriebene Effekt bei verschiedenen Kalziumpräparaten unterschiedlich stark ausgeprägt. Mäuse, die ein bestimmtes Kalzium-Präparat, nämlich Kalzium-Glukonat, mit dem Futter aufnahmen, entwickelten keine Osteoporose. Anders verhielt es sich bei Mäusen, die mit Kalzium-Carbonat substituiert wurden. Ob dieses Untersuchungsergebnis auch auf den Menschen übertragbar ist, ist bisher noch unklar. Fakt ist aber, dass Osteoporose-Patienten in der Regel mit Kalzium-Präparaten behandelt werden, die kein Kalzium-Glukonat, sondern eben Kalzium-Karbonat enthalten. Ihr Anteil am Gesamtumsatz der Kalzium Praparate liegt bei 95%, gemessen in Einheiten.

Studien zur Überprüfung der Unterschiede in der Verwertung von Kalzium beim Menschen haben bereits begonnen. Bestätigen sich darin die in Tierversuchen beobachteten Erkenntnisse, ergäbe sich die Möglichkeit, die Versorgung mit Kalzium auch bei Patienten sicherzustellen, die auf die Einnahme von Protonenpumpenhemmern angewiesen sind.

Wenn die unterschiedlichen Kalzium-Präparate nüchtern aufgenommen werden, ergibt sich ein Unterschied in der Bioverfügbarkeit. In diesem Fall sind Gluconat, Lactat oder Citrat günstiger als Carbonat. Carbonat muss von der Magensäure zunächst in die lösliche Form überführt werden. Das erklärt auch den höheren "Bedarf" an Magensäure und die schlechtere Bioverfügbarkeit bei der gleichzeitigen Einnahme von Protonenpumpenhemmern. Bei Aufnahme der Präparate innerhalb einer Mahlzeit soll jedoch kaum noch ein Unterschied in der Bioverfügbarkeit bestehen. Laut Osteoporose-Leitlinie sollte die tägliche Zufuhr an Kalzium insgesamt mindestens 1000 mg am Tag, aber nicht mehr als 1500 mg am Tag betragen. Je nach Kalziumzufuhr mit der Nahrung ist daher ein Präparat mit einer Tagesdosis von 500 mg oder weniger empfehlenswert. Die Bioverfügbarkeit von Kalzium, also die Menge, die vom Körper aufgenommen und verwertet werden kann, ist umso höher, je kleiner die aufgenommene Menge an Kalzium in einer Portion ist. Darum ist es sinnvoll, Kalzium über den Tag verteilt in kleinen Mengen aufzunehmen und nicht in einzelnen hohen Dosen.

Quellen:

  • Wie der Magen die Stabilität der Knochen beeinflusst
    Bundesministerium für Bildung und Forschung
    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. M. Amling
    Institut für Osteologie und Biomechanik
    Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • Osteoporose durch zu wenig Magensäure
    MedicaMagazin

    www.medica.de
  • Zu wenig Magensäure führt zu Osteoporose
    Gestörte Säurebildung oder Säureblocker verhindern Kalziumaufnahme

    www.scinexx.de