Der Farbstoff Fistin verspricht Arthrosepatienten Schmerzlinderung.

Alternativmedizinische Verfahren und Medikamente auf rein pflanzlicher Basis haben zurzeit Hochkonjunktur. Der Nachweis der Wirksamkeit durch evidenzbasierte Studien ist für den marktwirtschaftlichen Erfolg solcher Präparate nicht zwingend erforderlich. Oft reicht nur die Behauptung, das Medikament wirke sehr gut. Unterstützt wird dieser Boom durch einen professionell gemanagten und gesteuerten medialen Hype und andere nicht minder professionell organisierte Kampagnen aller Art, bis hin zur juristischen Abmahnung von Kritikern. Alternative Medizin und Phytopharmaka sind ein Markt, auf dem im Vergleich zur traditionellen Pharmakologie relativ schnelle und relativ leicht Milliarden verdient werden können. So darf es nicht verwundern, dass ständig neue Pflanzen oder andere Präparate, kombiniert mit den unterschiedlichsten Heilversprechen den Markt überfluten. Es gibt wohl tatsächlich kein Leid, gegen das nicht ein Kraut gewachsen wäre!

Auch Arthrosepatienten werden entsprechend versorgt. Kohlblätter, Bockshornklee, Weißdorn, Fischöl, Oliven (und Olivenblätter), Magneten, Teufelskralle oder Hagebutten - die Liste der Therapieoptionen aus der “Apotheke der Natur” ist lang und wird regelmäßig erweitert.

Kein neues, aber gerade aktuell in den Fokus gerücktes Heilmittel gegen den fortschreitenden Verschleiß von Gelenken und die damit einhergehenden Beschwerden ist der Farbstoff Fisetin.

Fisetin ist ein gelber Farbstoff, der als Oxidationsprodukt des Fisetinidins zur Stoffgruppe der Flavonole gehört. Seinem Namen hat er vom Perückenstrauch, auch Fisetholz genannt. Erwiesen ist, dass Fisetin leicht giftig und mutagen ist. Außerdem soll es die Toxizität von Aflatoxinen (Gifte aus Schimmelpilzen) vermindern. Eine andere, häufig diskutierte Wirkung soll die Verbesserung des Langzeitgedächtnisses sein (Zitat: Wikipedia). Daneben wird Fisetin mit den allgemein üblichen Eigenschaften antioxidativ, entzündungshemmend, neuroprotektiv und antikanzerogen beworben.

Außer in dem namensgebenden Perückenstrauch komm Fisetin auch in zahlreichen Obst- und Gemüsesorten wie Erdbeeren, Äpfeln, Kiwis, Weintrauben oder Zwiebeln vor, wenn auch in unterschiedlicher Konzentration. Erdbeeren beispielsweise enthalten ca. 160 µg, Gurken nur ca. 0,14 µg Fistin pro Gramm Eigengewicht. Dennoch ist es die Gurke, die aufgrund einer aktuellen Studie aus Indien und dem Kamerun die Nachfrage nach dem Wirkstoff neu belebt.

Die Studie

Ziel der Studie war es, das antientzündliche Potenzial des in Gurken enthaltenen Fistins bei arthrosebedingten Knieschmerzen festzustellen und den Effekt mit einer zum standardisierten Glukosamin-Chondroitin-Therapie zu vergleichen.

In verschiedenen Behandlungszentren wurden 122 Patienten beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 40 und 75 Jahren mit moderater Kniegelenksarthrose nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt.
In der ersten Gruppe (Verumgruppe) erhielten die Teilnehmer über einen Zeitraum von sechs Monaten zwei Mal täglich zwei Kapseln à 5 mg standardisierter Cucumis-Extrakt. Das entspricht einer Tagesdosis von 20 mg.

Die Patienten der zweiten Gruppe (Kontrollgruppe) bekamen zwei Mal pro Tag je eine Glukosaminkapsel à 375 mg und eine Chondroitinkapsel à 300 mg.

Die Studiendauer war auf sechs Monate angelegt. In regelmäßigen Follow-up-Untersuchungen (nach jeweils 30 Tagen) wurden die Patienten aufgefordert, Angaben zu machen über

• arthrosebedingte Beschwerden wie Schmerz oder Beweglichkeit etc.(WOMAC-Score)
• die Schmerzintensität (VAS-Skala)
• die Funktionalität im Alltagsleben (LFI-Fragebogen)

Wichtig ist, zu erwähnen, dass den Patienten gestattet war, bei starken Schmerzen bis zu drei Ibuprofen-Tabletten à 400 mg pro Tag zusätzlich einzunehmen. Grundsätzlich aber waren nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) jedoch vor Studienbeginn abzusetzen.

Ergebnisse

Bereits bei der ersten Follow-up-Untersuchung beobachteten die Wissenschaftler in der Gurken-Extrakt-Gruppe eine statistisch signifikante Verbesserung hinsichtlich der erhobenen Parameter im Vergleich mit der Glukosamin-Chondroitin-Gruppe.

Hinsichtlich der Entwicklung des Schmerzgeschehens konnte in der Gurken-Extrakt-Gruppe nach sechs Monaten eine statistisch signifikante Schmerzreduktion von 46,3% im Vergleich mit 25,6% (VAS-Skala) in der Kontrollgruppe erzielt werden.

Die Messungen der arthrosebedingte Beschwerden per WOMAC- Score und der Funktionalität im Alltagsleben mittels des LFI-Fragebogens zeigten ebenfalls statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen zugunsten der “Gurken-Truppe”. Unerwünschte Wirkungen konnten in keiner der beiden Gruppen eruiert werden (Carstens Stiftung).

Einschätzung

Bei leichten bis moderaten Beschwerden im Rahmen einer Kniegelenksarthrose könnte ein Extrakt aus der Gartengurke gemäß der Aussagen dieser Studie eine gut verträgliche, aber wirksamere Alternative zu anderen medikamentösen Behandlungsmaßnahmen wie der Glucosamin-/Chondroitin-Therapie darstellen (Carstens Stiftung).

Folgende Punkte geben Anlass zur Kritik:

• Der Hersteller des Extraktes (IminoTech) ist auch der Finanzier. Die Untersucher erklären jedoch, keine finanziellen Zuwendungen oder andere Vorteile von dem pharmazeutischen Hersteller erhalten und in ihrer Beurteilung der Ergebnisse unabhängig gehandelt zu haben.
• Angaben über die während der Studie eingenommen Mengen des erlaubten Schmerzmittels fehlen. Gleiches gilt für die Häufigkeit der Einnahme und einen gruppenübergreifenden Vergleich.

Weitere Studien zur Validierung der Ergebnisse unter Einbeziehung eines Standardmedikaments wie beispielsweise eines nichtsteroidalen Antirheumatikums als Kontrollmedikation und zur Gewinnung von Erkenntnissen hinsichtlich der zugrundeliegenden Wirkmechanismen wären wünschenswert (Carstens Stiftung).

Hinweis:
Für die Studie wurde ein hoch konzentrierter Gurken Extrakt benutzt. Mit dem alleinigen Konsum von handelsüblichen Gurken sollte der Effekt nicht reproduzierbar sein.

Quellen:

• Effectiveness of Cucumis sativus extract versus glucosamine-chondroitin in the management of moderate osteoarthritis: a randomized controlled trial.
  Nash RJ, Azantsa BK, Sharp H, Shanmugham V.
  Clin Interv Aging. 2018 Oct 25;13:2119-2126. doi: 10.2147/CIA.S173227. eCollection 2018.
• Saure-Gurken-Zeit für Arthroseschmerzen
  D. Hacke M.A.
  www.carstens-stiftung.de
• Fisetin
  de.wikipedia.org