Erkennen von Schmerzen bei Menschen mit Demenz
Das deutet bei Demenz-Patienten auf Schmerz hin - starke Evidenz
Viele Menschen, insbesondere solche mit Demenz, sind aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen nicht mehr in der Lage mitzuteilen, wenn ihnen etwas wehtut. Für diese Situationen existieren bewährte Instrumente zur Einschätzung der Schmerzen, etwa anhand des Gesichtsausdrucks, aufgrund von Lautäußerungen oder bestimmten Bewegungen. Allerdings hapert es mit dereren Validierung (objektive Beurteilung), da sie vor allem auch auf persönlichen Erfahrungen beruhen. Das gilt insbesondere für die Beurteilung von Bewegungsmustern.
Die Schwierigkeit in der Beurteilung besteht in erster Linie darin, zu unterscheiden, ob die Verhaltensweise eines Patienten auf dessen Demenzerkrankung zurückzuführen oder Ausdruck eines Umwohlseins, von Malaisen oder sogar Schmerzen ist.
Ein internationales Team um Professor Liv Inger Strand von der Universität Bergen (Norwegen) hat zu diesem Thema nun eine ausführliche Literaturrecherche betrieben und die Ergebnisse aus 25 Studien in einem systematischen Review zusammengefasst.
Fünf Bewegungs- beziehungsweise Verhaltensmuster haben einen starken Bezug zu Schmerzen (starke Evidenz):
- Unruhe und Agitiertheit
- Reiben/Massieren eines Körperteils
- Awehrhaltung (Patient will sich nicht anfassen lassen, weicht zurück)
- Versteifung (Patient bewegt sich kaum, ballt die Fäuste)
- körperliche Aggression (Patient schlägt um sich, tritt, packt den Pfleger grob am Arm, wirft mit Dingen)
Evidenz ist die unmittelbare kognitive Nachvollziehbarkeit eines Zusammenhangs. In der Medizin bezeichnet Evidenz den empirisch erbrachten Nachweis des Nutzens einer diagnostischen oder therapeutischen Aktion. Der Begriff darf nicht mit dem englischen "evidence" verwechselt werden, das mit "Beweis" oder "Beleg", im juristischen Bereich auch mit "Zeugenaussage" übersetzt wird. (Zitat: DocCheck)
Mittlere Evidenz
Die Unruhe und das Reiben wurden vor allem in Ruhe beobachtet, während das angespannte, abwehrende Verhalten meist im Zusammenhang mit potenziell schmerzauslösenden Aktivitäten oder Prozeduren stand (Beispiel: Transport vom Rollstuhl ins Bett kurz nach einer Hüft-Op).
Bei der verstärkten Agitiertheit und der körperlichen Aggression wiederum kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um Symptome einer neuropsychiatrischen Störung handelt.
Den Forschern zufolge gibt es hier aber möglicherweise auch einen wechselseitigen Effekt: So hätten Demenzpatienten mit dem Symptom Ruhelosigkeit in einer der ausgewerteten Studien höhere Schmerz-Scores erreicht als Patienten ohne dieses Symptom.
- Mittlere Evidenz für den Zusammenhang mit Schmerzen fand das Team für weitere fünf Verhaltensmuster:
- herabgesetzte Mobilität oder Stehenbleiben
- sich an einem Gegenstand abstützen
- Zucken
- Auf- und Abwandern unbequeme oder ungewöhnliche Körperhaltung (Verdrehen der Gliedmaßen, Verkrümmen, Zusammenrollen, Fötushaltung)
Schwache Evidenz
Für weitere drei Bewegungsmuster ergab sich dagegen nur schwache Evidenz:
- Besonderheiten im Gangbild wie Hinken oder Schlurfen
- Zittern
- stereotypes Wiederholen bestimmter Bewegungen
Bemerkungen zu Verhaltensmustern unter Schmerztherapie
Nur sehr wenige der im aktuellen Review berücksichtigten Studien hatten untersucht, inwieweit die jeweiligen Verhaltensweisen sich bei Einnahme von Schmerzmedikamenten besserten. In einer Studie mit nur drei Teilnehmern wurde gezeigt, dass die Patienten sich danach weniger versteiften, sich weniger abstützten und weniger häufig stehenblieben.In einer anderen hatten nach Beginn der Schmerzbehandlung die Ruhelosigkeit und Agitiertheit abgenommen, ebenso das Hin- und Herwandern.
Quellen:
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Body movements as pain indicators in older people with cognitive impairment: A systematic review
Liv Inger Strand Kim Fredrik Gundrosen Regina Küfner Lein Marjan Laekeman Frank Lobbezoo Ruth Defrin Bettina S. Husebo
European Pain Federation ‐ EFIC®
First published: 19 November 2018 https://doi.org/10.1002/ejp.1344 -
Das deutet bei Demenz-Patienten auf Schmerz hin
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