13.01.19

Angesichts der Zunahme von Arthrose geschädigten Gelenken, unbefiedigender  Langzeitergebnisse und schwerer Nebenwirkungen bei der Behandlung von Arthrose bedingten Schmerzen mit gängigen Schmerzmedikamenten, werden die Rufe nach Allternativen häufiger und lauter.

Und die Rufe werden gehört. Marktbeobachter stellen in den letzten Jahren eine überdurchschnittlich wachsendes Angebot an Präparaten fest, die  Arthrose Patienten Linderung der Beschwerden (und gelegentlich sogar Heilung) versprechen. In einem empfehlenswerten Beitrag zur Arthrose (“Knorpel und Knochen in Bedrängnis”) hat sich die Pharmazeutin und Fachjournalistin Dr. A. Immel-Sehr kritisch mit den Alternativen auseinandergesetzt. Wir stellen die Ergebnisse vor.

Opioide

Opioide sind wertvolle und bewährte Schmerzmittel, leider mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen. Opioide haben bei Arthrose-Patienten, vor allem mit Blick auf die lang dauernde Therapie, im Gegensatz zu Behandlung von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, nur einen geringen Stellenwert. Sie können jedoch für eine begrenzte Zeit sinnvoll sein. Die Datenlage für den Einsatz von Opioiden bewertet die internationalen Arthrosegesellschaft (OARSI - Osteoarthritis Research Society International) als unzureichend.

Stattdessen empfiehlt die interna­tionale Arthrose-Gesellschaft als alternatives Analgetikum den Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin bei Knie- und Multigelenk-Arthrosen. Als Mechanismus der Schmerzhemmung wird eine Erhöhung der Serotonin- und Noradrenalin-Aktivität im zentralen Nervensystem ZNS angesehen.

Duloxetin ist ein Antidpressivum. In Studien wurden neben den psychischen Beschwerden auch begleitende körperliche Symptome (zum Beispiel Schmerzen) gelindert. Der analgetische (schmerzlindernde) Effekt bei Schmerzsymptomen in Verbindung mit Depression ist nach einer neueren Metaanalyse vorhanden, allerdings sehr gering ausgeprägt. Andere Indikationen sind generalisierte Angststörungen, diabetische Polyneuropathie und Harninkontinenz.

Rein pflanzlich

In der Apotheke fragen die Patienten häufig nach pflanzlichen Arthrosemitteln. Doch die wissenschaftliche Datenlage ist aufgrund mangelnder großer Studien dünn. Im Auftrag der weltweit vernetzten Cochrane-Datenbank werteten Wissenschaftler bis 2014 insgesamt 39 Studien zum Einsatz von Heilpflanzenzubereitungen bei Arthrose systematisch aus. Eine Kombination aus Sojabohnen- und Avocado-Extrakt wirkte kurzzeitig relativ gut gegen Schmerz und Entzündung. Positiv fiel den Forschern auch Weihrauch (Boswellia serrata) auf.

Nahrungsergänzungsmittel

Eine große Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 nahm Studien mit Nahrungsergänzungsmitteln unter die Lupe. Keine der Substanzen zeigte einen lang andauernden Effekt. Kurzzeitige positive Effekte mit geringer Evidenz fanden die Forscher für Boswellia-Extrakt sowie bei Kollagen-Hydrolysaten, Passionsfruchtschalen-Extrakt, Curcuma-longa-Extrakt, Curcumin, L-Carnitin und Pycnogenol®.
Pycnogenol ist der Extrakt der Rinde der französischen See-Kiefer. Er wirkt bei milder Arthrose antioxidativ, entzündungshemmend  (antiphöogistisch) und chondroprotektiv (knorpelschützend), so das Fazit einer Übersichts­arbeit zu diesem Pflanzenextrakt aus dem Jahr 2017. Er ist in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel im Handel.

In Deutschland  hat Weidenrinde eine lange Tradition in der Behandlung von Arthrose. Die Tagesdosis sollte bei 240 mg Gesamtsalicin liegen. Auch Teufelskralle kommt infrage. Als wirksam gelten 950 bis 1500 mg alko­ho­lischer Extrakt beziehungsweise 2200 mg wässriger Extrakt. Die ­antiphlogistische und schwach analge­tische Wirkung geht vermutlich auf Iridoide und Phenylethanol-Derivate zurück.

Das Apothekenteam sollte dem Patienten erklären, dass die Wirkung von ­Phytopharmaka und Nahrungser­gänzungsmitteln erst nach einer Einnahmedauer von einigen Wochen eintritt. Die Präparate sind daher nicht zur akuten Schmerzlinderung geeignet. Bei lang dauernder Einnahme – auch über schmerzfreie Phasen hinweg – ist aber unter Umständen eine Reduktion anderer Schmerzmittel möglich.

Chondroprotektiva

Chondroprotektiva sind “knorpelschützende” Substanzen, bzw. Substanzen, die mit dieser Wirkung beworben werden. Heute werden sie als SYSADOA, (symptomatic slow acting drugs in osteoarthritis) bezeichnet.

Die Wirkung der SYSADOA setzt  ebenfalls erst nach mehreren Wochen ein. Bei dieser Wirkstoffgruppe gehen die Meinungen der Fachleute bezüglich der Wirksamkeit auseinander. Neben Studien, die eine wenn auch meist schwache oder nicht lang andauernde Wirkung belegen, existieren weitere Studien, die eine Wirkung als nicht sicher erachten.

  • Glucosaminhemisulfat ist das Schwefelsäuresalz des Aminozuckers Glucosamin, das natürlicherweise im Bindegewebe, in der Knorpelmatrix und der Gelenkflüssigkeit vorkommt. Oral verabreicht soll es die Synthese von Glycosaminoglykanen anregen. 
  • Auch Chondroitinsulfat ist ein natürlicher Bestandteil des Knorpelgewebes. Sein Wirkmechanismus nach oraler Gabe ist im Einzelnen nicht geklärt. 
  • Hyaluronsäure, ein polymeres Glykosaminoglykan, ist im Gelenkknorpel für dessen biomechanische Funktion von Bedeutung. Es ist zudem der viskositätsbestimmende Bestandteil der ­Synovialflüssigkeit (Gelenkflüssigkeit, Gelenkschmiere). Bei Arthrose sinkt sowohl die Hyaluronsäure-Konzentration als auch die Größe der Moleküle. Dadurch verschlechtert sich die Gleitfähigkeit der Gelenkschmiere.

Zukunftsmusik

Eine mögliche neue Therapieoption ist die Behandlung mit plättchenreichem Blutplasma. Dabei werden körpereigene konzentrierte Blutplättchen und Plasma direkt intraartikulär (in das Gelenk) verabreicht. Dort setzen die Plättchen eine Fülle von Botenstoffen und Enzymen frei, die im Endergebnis den Entzündungsprozess bremsen und die Synthese von gesundem Knorpelgewebe in den Chondrozyten anregen sollen. Die bisherigen Studien machen Hoffnung, auch wenn der Wirkungsmechanismus unklar ist.

In den vergangenen zehn Jahren rückten zudem autologe regenerative Zellen aus dem Fettgewebe oder Knochenmark in den Fokus der Arthrose-Forscher. In das erkrankte Gelenk injiziert sollen sie die Knorpelsynthese ­stimulieren. Möglicherweise sind mesenchymale Stammzellen aus der Synovia sogar noch besser geeignet. In-vitro-Tests (im “Reagenzglas”) und In-vivo-Studien an Tieren lassen dies vermuten. Eine erste Studie an zehn Menschen zum Knorpelaufbau war vielversprechend. Doch auch hier ist es noch ein langer Weg von der Idee zu einer etablierten Therapieoption.

Quelle: