06.11.18

Die hochfrequente Rückenmarkstimulation scheint gegenüber der klassischen Variante zu einer verbesserten Lebensqualität beizutragen.

SCS bei chronischen, therapierefraktären Rückenschmerzen

Etwa 4 % der Erwachsenen in Deutschland leiden unter Rückenschmerzen mit einer neuropathischen Komponente. Eine Therapieoption bei chronischem, therapierefraktärem Schmerz ist die SCS (spinal cord stimulation).

Die so genannte "Epidurale Rückenmarkstimulation" (engl.: spinal cord stimulation = SCS) beinhaltet das Einbringen einer oder mehrerer Elektroden auf die Rückenmarkhaut und die Gabe von Strom über die Elektrodenkontakte. Dies führt zu einer Stimulation der hinteren Abschnitte des Rückenmarks und der Pat. bemerkt ein angenehmes „Kribbeln“, welches je nach Elektrodenlage in die Arme oder Beine ausstrahlen kann und das Schmerzgebiet „überdecken“ soll. Dieses invasive, d. h. operative Verfahren zur Schmerztherapie, existiert bereits seit über 30 Jahren und jährlich werden in Deutschland ca. 1500 solcher Implantate eingesetzt.

"Die Epidurale Rückenmarkstimulation ist ein neuromodulatorisches, reversibles interventionelles Verfahren, bei dem Patienten mit chronischen, - mit konservativen und weniger invasiven Mitteln nicht ausreichend therapierbare -, Schmerzen behandelt werden können", so lautet die Definition des Verfahrens in der S3-Leitlinie "Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen".

Wirkungsweise der SCS

Der genaue Wirkmechanismus der Stimulation der hinteren Seite des Rückenmarks durch eingebrachte Elektroden, ist im Detail noch nicht bekannt. Es wird angenommen, dass die SCS zu einer Aktivierung sogenannter  Interneuronen führt. Dadurch wird das Schmerzempfinden moduliert (verändert).

Als Interneurone, auch Schaltneurone oder Zwischenneurone, werden Nervenzellen bezeichnet, die mit allen ihren Endknöpfchen (Fortsätzen) in einem konkret definierten Bereich des Zentralnervensystems (Gehirn oder Rückenmark) liegen und dort zwischen zwei oder mehr Nervenzellen geschaltet sind. (Wikipedia)

Weiterhin wird vermutet, dass ein Eiweiß, mit der Bezeichnung CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) freigesetzt wird und zur peripheren Vasodilatation (Weitstellung der Blutgefäße) führt. Damit ließen sich Effekte der SCS auf die periphere arterielle Verschlusskrankheit und möglicherweise auch Angina pectoris erklären, welche beide eine mögliche Indikation für den Einsatz der SCS darstellen.

Patientenselektion

Die SCS kommt bei Patienten mit chronischen, therapierefraktären Schmerzen zum Einsatz. Dabei muss es sich um einen diagnostisch nachgewiesenen, vorwiegend neuropathischen oder ischämischen (aufgrund von Durchblutungsstörungen)  Schmerz handeln, der austherapiert ist. Der chronische Schmerz wird definiert als ständiger oder wiederkehrender Schmerz über mindestens drei bis sechs Monate.

Ein inadäquates Ansprechen auf eine optimierte konservative Behandlung, bei der nach drei Monaten weiterhin anhaltende, ungenügend gelinderte Schmerzen bestehen oder eine starke Einschränkung durch die Medikamente vorliegt, wird als therapierefraktär eingeordnet.

Testphase vor Implantation des Impulsgebers

Erfüllt ein Patient die Kriterien, so durchläuft er eine Testphase, in der unter lokaler Betäubung eine Elektrode auf der Hirnhaut des Rückenmarks platziert wird. Anschließend wird die Wirkung auf die Schmerzen beurteilt, um die beste Einstellung zu finden. Kommt es zu einer deutlichen Besserung des Schmerzes, so wird der Impulsgeber im zweiten Schritt implantiert.

Vergleich von herkömmlicher und hochfrequenter SCS

Bei der traditionellen SCS wird mit einer Frequenz von 40-60 Hz gearbeitet. Bei der hochfrequenten Rückenmarkstimulation (HF 10) wird eine Frequenz von 10 kHz angewendet. Studiendaten wollen belegen, dass die HF10-Therapie der herkömmlichen SCS überlegen ist.

Weitere Vorteile der HF10-Therapie

Keine Parästhesien und kürzere OP-Dauer! Neben der Verbesserung der Schmerzen, ist die Elektrodenplatzierung nach anatomischen Gesichtspunkten bei T8-11 ein weiterer Vorteil der hochfrequenten Variante. Bei der Elektrodenplatzierung in der herkömmlichen Variante muss ein intraoperatives Mapping erfolgen, was ein Aufwecken des Patienten aus der Narkose mit eine längeren Verfahrensdauer bedeutet.

Daneben ist die HF10-Therapie die einzige nicht mit anomale Körperempfindungen (Parästhesien) wie z. B. Taubheit der Gliedereinhergehende SCS-Therapie, was einen Wegfall von Einschränkungen beim Autofahren oder Schlafen bedeutet. Weiterhin ist unter definierten Bedingungen (u.a. verwendetes Produkt) eine Magnetresonanztomographie(Kernspin)  möglich.

Quellen:

  • "Neuromodulation/SCS Schmerztherapie bei chronisch lumbalem/lumboischialgem Schmerzsyndrom – aktuelle Studien"
    Dr. Richard Ibrahim
    29. Deutscher Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt, 8.3.2018
  • Hochfrequente Rückenmarkstimulation bei chronischen Rückenschmerzen
    Autor: Dr. M. Klingler

    www.gelbe-liste.de
  • S3-Leitlinie "Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen", Stand 07/2013
    Novel 10-kHz High-frequency Therapy (HF10 Therapy) Is Superior to Traditional Low-frequency Spinal Cord Stimulation for the Treatment of Chronic Back and Leg Pain: The SENZA-RCT Randomized Controlled Trial.
    Kapural et al. (2015)
    Anesthesiology, DOI: 10.1097/ALN.0000000000000774
  • Sustained Effectiveness of 10 kHz High-Frequency Spinal Cord Stimulation for Patients with Chronic, Low Back Pain: 24-Month Results of a Prospective Multicenter Study. Pain Medicine,
    Al-Kaisy et al. (2014):

    DOI