19.06.17

Leidet ein Patient unter Rückenschmerzen, werden nicht selten Schmerzmittel oder andere Medikamente verschrieben. Laut aktuellen Studien zeigen die eingesetzten Medikamente aber kaum Wirkung.

Die internationalen therapeutischen Leitlinien wurden entsprechend modifiziert. Allerdings gibt es Unterschiede. Während deutsche Ärzte eine multimodale Schmerztherapie, also eine koordinierte Kombination aus mehreren Ansätzen, befürworten, beschränken sich beispielsweise Ihre amerikanischen Kollegen auf die allgemeine Empfehlung zur Anwendung nicht medikamentöser Maßnahmen.

Rückenschmerzen

Rückenschmerzen sind nicht einheitlich definiert. Mit dem Begriff werden sowohl Schmerzen der Muskeln als auch der Nerven, Knochen oder anderer Strukturen im Bereich des Rückens entlang der Wirbelsäule bezeichnet. Etwa 85 Prozent der Menschen leiden mindestens einmal in ihrem Leben an solchen Beschwerden. Frauen und Menschen mit niedrigem Sozialstatus (gemessen an Bildung, beruflicher Stellung und Einkommen) sind etwas häufiger betroffen. Männer und Menschen mit mittlerem oder hohem Sozialstatus leiden seltener.

Obwohl häufig, werden Rückenschmerzen selten chronisch. Die meisten Rückenschmerzen (ca. 90 Prozent!) verschwinden innerhalb von vier bis sechs Wochen ohne ärztliches Zutun. Lediglich 10 Prozent persistieren als chronische Beschwerden. Leider sind diese Zahlen, insbesonder die hohe Rate der “Selbstheilung” nicht absolut zu sehen. Einmal aufgetreten wiederholen sich Episoden mit schmerzhaften Rückenbeschwerden häufiger. So geben 65 Prozent der Betroffenen an, auch ein Jahr nach dem erstmaligen Auftreten der Kreuzschmerzen noch in Intervallen unter diesen zu leiden.

Medikamente

Am häufigsten werden bei Rückenschmerzen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sowie Paracetamol verschrieben. Beides sind Schmerzmittel, die auch entzündungshemmend wirken. Bis zur Veröffentlichung neuerer Studien galten diese Arzneistoffe als Mittel der ersten Wahl. Andere gängige Schmerzmittel bei Kreuzschmerzen sind Muskelrelaxantien, Antidepressiva, Opioide, systemische Kortikosteroide und Benzodiazepine.

Die aktuellen Studienergebnisse in einer kurzen Zusammenfassung:

  • Paracetamol soll nicht besser wirken als ein Placebo.
  • NSAR wirken, haben aber einen geringeren Nutzen als sie älteren Publikationen zufolge haben sollten. Dafür verursachen jedoch mehr Nebenwirkungen als Placebos.
  • Trizyklische Antidepressiva sind bei bei chronischen Kreuzschmerzen nur mäßig wirksam. Der Unterschied zu Placebos ist marginal.
  • Benzodiazepine haben laut einer Studie aus dem Jahr 2010 bei einer Radikulopathie keinen Einfluss auf die Funktion, verursachen jedoch mehr Schmerzen als Placebo.
    Eine Radikulopathie ist eine Erkrankung der die das Rückenmark verlassenden Nervenwurzeln Sie sind entzündet oder geschädigt. Die Betroffenen leiden unter Schmerzen, Empfindungsstörungen oder Lähmungen. Es gibt allerdings auch Untersuchungen, wonach Benzodiazepine und Muskelrelaxantien den früher in sie gestellten Erwartungen entsprechen.
  • Muskelrelaxantien befreien zwar kurz von akuten Kreuzschmerzen, sedieren (beruhigen) jedoch in nicht unerheblichem Ausmaß. Die Evidenz bleibt spärlich.
  • Systemische Kortikosteroide scheinen nicht wirksam zu sein.
  • Opioide schneiden bei einer kurzfristigen Therapie besser ab als Placebos. Die Gefahr einer Überdosierung und Abhängigkeit bleibt jedoch gegeben.

Amerikanische Leitlinien (Kurzform)

Die Fachgesellschaft amerikanischer Orthopäden empfiehlt bei chronischen Rückenschmerzen daher neben Gymnastik auch Akupunktur, Yoga, Tai Chi, progressive Muskelentspannung oder Niedrigenergie-Lasertherapie. Genügt diese nicht-medikamentöse Therapie nicht, können Ärzte eine Behandlung mit NSAR in Betracht ziehen.

Als Mittel der zweiten Wahl empfiehlt das American College of Physicians das schwach wirksame Opioid Tramadol oder Duloxetin. Opioide sollten jedoch nur dann verordnet werden, wenn die anderen Therapien versagt haben, der Nutzen der Therapie überwiegt und der Patient über die Nutzen und Risiken der Substanzen aufgeklärt wurde.

Die mutimodale Therapie in Deutschland

Dass die medikamentöse Therapie für akute und chronische, nicht-spezifische (Ursache unklar) Kreuzschmerzen nur mäßig wirksam ist, verdeutlicht auch die aktuelle, deutsche Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz (2017). Vor allem bei Langzeitanwendung bestehen relevante Risiken mit zum Teil erheblichen gesundheitlichen Folgen.

Empfohlen wird daher ein multimodaler Therapieansatz, bei dem der Schmerz als mehrdimensionales Problem aufgefasst wird. Eine ausschließlich medikamentöse Therapie bei chronischen Rückenschmerzen sei ungeeignet. Vielmehr werden psychosoziale Risikofaktoren identifiziert und der Patient im Hinblick hierauf geschult.

Die Grundlage der multimodalen Schmerztherapie bildet das sog. bio-psycho-soziale Krankheitsmodell. Dabei beziehen sich die Begriffen "Bio" bzw. "Psycho" oder "Sozial" unter anderem auf körperstrukturelle Schäden, Krankheitseinstellung, Depression oder  Familie und Arbeitsplatz. Ziel ist es, die schmerzunterhaltenden Faktoren abzubauen und Umgangsstrategien zu erlernen. Neben verschiedenen nicht-medikamentösen Therapieansätzen wie Sporttherapie, Ergotherapie und Entspannungsverfahren werden chronische Schmerzen aber auch mit Medikamente behandelt.

Als Medikamente werden vorwiegend NSAR, Antiepileptika bei Nervenschmerzen sowie Antidepressiva bei Begleiterkrankungen eingesetzt.

Quelle:

  • Den vollständigen Beitrag “Rückenschmerzen: Das Mittel der Qual” von S. Kerscher-Hack lesen Sie bei news.doccheck.com.