12.02.17
Rückenschmerzen behandeln! Aber richtig!
Rückenschmerzen behandeln! Aber richtig!

Rückenschmerzen werden oft falsch behandelt. Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung sieht die Verantwortung bei Ärzten und Patienten.

Rückenschmerzen sind häufig. Viele Betroffene suchen deshalb so schnell wie ihnen möglich einen Arzt auf. Diese behandeln ihre Patienten laut einer Studie jedoch oft falsch. Die Patienten hingegen zeigen die Tendenz gute und richtige Therapieoptionen zu ignorieren. In der Konsequenz nehmen Krankenhausaufenthalte bei Rückenschmerzen stetig zu.

Fehler 1: Zu viel Röntgen

Insgesamt wurden 2015 pro 1000 Patienten mit Rückenschmerzen 375 Bilder erstellt. Dabei wurde jeder fünfte Patient bereits im Quartal der Erstdiagnose geröngt oder in den Tomografen (MRT, CT) geschoben. Das sind, gemessen an den Empfehlungen, zu viele Untersuchungen, die darüber hinaus auch zu früh, also vor den ersten Therapieversuchen, verordnet werden.

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung weist nach, dass die meisten Patienten (69 Prozent) den medizinischen Nutzen solcher bildgebenden Verfahren bei Rückenschmerzen weit überschätzen. Allerdings können Ärzte entgegen diesen Erwartungen auch mit bildgebenden Verfahren meistens keine spezifische Ursache für den Schmerz feststellen.

Öffentlicher Ausdruck dieser falschen Erwartungshaltung ist das Beharren einer zunehmenden Zahl von Patienten auf die Durchführung dieser Untersuchungen - auch entgegen dem Rat des behandelnden Radiologen oder Orthopäden.

Fehler 2: Zu frühes Röntgen

Die Leitlinien zur Behandlung von Rückenschmerzen empfehlen bildgebende Verfahren erst dann, wenn wenn herkömmliche Therapien wie Schmerzmittel oder Krankengymnastik keinen Erfolg hatten. Ausdrücklich empfohlen werden frühzeitige oder sofortige bildgebende Verfahren nur dann, wenn es Warnhinweise auf einen ernsthaften Krankheitsverlauf gibt, etwa Lähmungen oder Brüche. Ohne solche Hinweise sehen die Leitlinien keinen Anlass für ein Bildgebungsverfahren!

Fehler 3: Tun, was andere tun

Die Studie offenbart erhebliche regionale Unterschiede im Verhalten der Patienten und Ärzte: So gehen Menschen in Berlin häufiger mit Rückenschmerzen zum Arzt als in Hamburg oder Schleswig-Holstein. Im Osten durchleuchten Hausärzte und Orthopäden Rückenschmerzpatienten um bis zu ein Drittel seltener als im Rest der Bundesrepublik. Beide, Ärzte und Patienten, verhalten sich so, wie ihre Kollegen oder Bekannte in unmittelbarer Umgebung.

Fehler 4: Zu früh zum Arzt

Jeder zweite Patient der Umfrage ist davon überzeugt, dass man bei Rückenschmerzen immer einen Arzt aufsuchen muss. Tatsächlich gelten 85 Prozent der akuten Beschwerden als medizinisch unkompliziert und verschwinden nach einigen Tagen oder ein bis zwei Wochen wieder.

Fehler 5: Sorgloser Umgang mit Risikofaktoren und Ursachen

Die Risikofaktoren, die eine Entstehung von Rückenschmerzen oder ihre Chronifizierung begünstigen sind hinreichend bekannt. All diese Faktoren lassen sich durch Eigeninitiative und etwas Selbstdisziplin reduzieren oder gar beseitigen. Dazu fehlt häufig (fast immer) der Wille. Stattdessen wird alleine auf Medikamente, ärztliche Heilkunst und zunehmend auch alternative Heilversprechen vertraut.

Laut Reinhard Schneiderhan, Präsident der Deutschen Wirbelsäulenliga und Orthopäde in München, gibt es fünf typische Ursachen für Rückenschmerzen. Wer den Auslöser kenne, könne die Beschwerden gezielt bekämpfen:

  1. Langes Sitzen
    führt auf Dauer zu Fehlbelastungen der Muskulatur und kann wiederum Verspannungen und Schmerzen mit sich bringen. Schneiderhan rät zu einer aktiven Freizeitgestaltung: Spaziergänge oder Sportarten wie Pilates oder Yoga.
  2. Bewegungsmangel
    schwächt die Muskulatur und die Bandscheiben werden nicht ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Be- und entlastet man sie moderat, verursache dies eine Pumpbewegung. Dadurch saugen die Bandscheiben sich mit Flüssigkeit voll und bleiben intakt. Geeignete Arten der Bewegung seien etwa Schwimmen oder Laufen.
  3. Übergewicht
    belastet vor allem die Bandscheiben, die wie Stoßdämpfer zwischen den Wirbeln liegen.
  4. Stress
    kann zu Muskelverspannungen führen. Um gegenzusteuern, empfiehlt Schneiderhan, die seelische Belastung möglichst zu verringern, aber auch die Rückenmuskulatur zu stärken und Verspannungen zu lösen.
  5. Schweres Tragen
    ist vor allem bei schwacher Muskulatur ein Problem. Oft schießen dann plötzlich Schmerzen in den Rücken. Schneiderhan rät, möglichst Rucksäcke zu verwenden und Lasten möglichst gleichmäßig zu verteilen – beim Einkaufen sollte man besser zwei kleinere Taschen statt einer großen mitnehmen. Wichtig: Zum Anheben geht man in die Knie, statt aus dem Rücken zu heben.

Fehler 6: Mangelnde Intervention und Klarstellung

Die falschen Erwartungen rücken die Ärzte häufig nicht zurecht, kritisieren die Experten der Bertelsmann-Stiftung. Weitere unnötige Untersuchungen und eine Verunsicherung des Patienten seien die Folge. Schlimmstenfalls könnten Schmerzen chronisch werden, weil Patienten kränker gemacht werden als sie sind, so die Studienautoren. Stattdessen fordern sie, Patienten besser zu informieren und durch eine bessere Vergütung des Patientengesprächs Fehlanreizen zum vorschnellen Röntgen entgegenzuwirken.

Alternative Beiträge und Quellen:

  • Ärzte behandeln Rückenschmerzen oft falsch 
    www.aponet.de
  • Rückenschmerzen: Röntgen oft überflüssig 
    www.ndr.de