06.08.17

Nicht heilbar, aber gut zu therapieren.

In unserer älter werdenden Gesellschaft ist Arthrose zur Volkskrankheit geworden. Etwa die Hälfte aller 65-Jährigen leidet an der Krankheit, die sich durch konservative und alternativ-medizinische Therapien zwar nicht heilen, wohl aber deutlich lindern lässt. Wer bei beginnender Arthrose mit richtiger Ernährung, ausreichender Bewegung sowie gezielten Therapien gegensteuert, kann die ultima ratio, den OP-Termin für ein künstliches Gelenk, auf einen fernen Tag in der Zukunft verschieben.

Die Ursachen für Arthrose sind vielfältig: Übermäßige Belastung oder zu wenig Bewegung, zu viel Gewicht, Gelenkentzündungen, angeborene Fehlstellungen oder genetische Disposition - all dies befördert die Entwicklung des "Gelenkverschleißes", wie die Krankheit im Volksmund durchaus treffend bezeichnet wird.

Bei der klassischen, nicht durch entzündliche Prozesse initiierten Arthrose (abgeleitet von griechisch "arthros" = Gelenk) baut sich der Knorpel zwischen den Gelenken mehr und mehr ab. Zu Beginn wird er porös, dann rissig, und irgendwann reibt Knochen auf Knochen. In der Folge allerdings können Entzündungen einsetzen, die eine Negativspirale von Schmerz, Bewegungsarmut, Übergewicht und noch mehr Schmerz in Gang setzen. So weit sollten es Menschen, denen ihre Gesundheit etwas wert ist, nicht kommen lassen.

Bewegung

Die beste Art gegenzusteuern ist, zu bewegen ohne zu belasten, hier gilt tatsächlich: Wer rastet, der rostet. Denn bei jeder Bewegung saugt der vorhandene Gelenkknorpel Gelenkflüssigkeit auf, die ihn ernährt und gesund hält, und transportiert Abfallstoffe ab. Kontinuierliche Gymnastik, Schwimmen, Nordic Walking, mäßiges Wandern und andere nicht belastende Sportarten helfen, in Bewegung zu bleiben. Auch überflüssi- ge Pfunde kann man so loswerden, ein willkommener und im Wortsinn entlastender zweiter Effekt.

Bei der klassischen Physiotherapie steht zu Beginn der Behandlung eine Lockerung der Muskulatur durch Massagen im Vordergrund, der eine aktive Phase mit gezielten Bewegungs- und Kraftübungen folgt. Ziel der Physiotherapie ist es, Abwehrspannungen zu lösen und die Gelenke zu mobilisieren. Regelmäßiges Weiterüben zu Hause ist wünschenswert, um den Effekt zu erhalten.

Auch die Feldenkrais-Methode zielt auf die Bewusstwerdung und größere Leichtigkeit der Bewegungsabläufe ab; die progressive Muskelentspannung nach Jacobson setzt hingegen auf Spannung und Entspannung der Muskulatur.

Manuelle Schmerztherapie

In der Schmerztherapie nach Liebseher & Bracht wird davon ausgegangen, dass Arthrose-Schmerzen von muskulären Fehlspannungen und nicht direkt aus dem Gelenk herrühren. Mit einer kombinierten Methode werden zunächst definierte Schmerzpunkte durch Druck aktiviert und der Alarm-Schmerz abgesenkt.

Durch sogenannnte .Engpassdehnungen", die mit dem Therapeuten eingeübt und zu Hause praktiziert werden, sollen Schmerzen längerfristig erheblich abgesenkt werden.

Medikamente und Eigenblut

Doch was tun, wenn Schmerzen die Lust am Bewegen bereits behindern?

Schmerzen treten bei Arthrose zunächst ausschließlich bei Belastung auf, später dann auch in Ruhestellung. Interessanterweise lassen Röntgenbilder keinen Rückschluss auf den Grad der Schmerzen zu - Patienten mit bereits starker Schädigung des Knorpels können beschwerdefrei sein, andere mit wenig ausgeprägtem Befund geben an, permanent unter starken Schmerzen zu leiden.

Selbstverständlich stehen verschiedene Schmerzmittel zur Verfügung, für den Anfang vor allem aus der Gruppe peripher wirkender Analgetika, der mildeste Wirkstoff ist Paracetamol. Zur nächststärkeren Gruppe von Medikamenten gehören die .nlchtsteroldalen Antirheumatika" (NSAR) mit Diclophenac und Ibuprofen sowie die Coxibe, die ebenfalls bestimmte Enzyme hemmen und körpereigene Schmerz- und Entzündungsherde eindämmen.

Ganz anders setzt Hyaluronsäure an, die Bestandteil des Knorpels sowie der Gelenkflüssigkeit ist und direkt ins Gelenk injiziert wird, um die Gleitfähigkeit des Knorpels und die Flexibilität des Gelenks zu verbessern.

Noch relativ neu ist die ACP Therapie(Autologous Conditioned Plasma)bei der aus eigenem Blut entnommene Blutplättchen (Thrombocyten) direkt in ein von Arthrose betroffenes Gelenk verabreicht (gespritzt) werden. Die in den Blutplättchen enthaltenen Wachstums- und Heilfaktoren sollen den Knorpel regenerieren und so die Beweglichkeit verbessern und den Schmerz vermindern.

Gleiches verspricht die schon länger bekannte Behandlung mit Orthokin, die den durch Entzündungen verursachten Knorpelabbau ins Visier nimmt. Hier enthält die Spritze bei der Blutentnahme speziell beschichtete Glaskugeln, die die Leukozyten (weiße Blutkörperchen) stimulieren, körpereigene Hemmstoffe auszubilden - auch das so angereicherte Serum wird direkt ins Gelenk gespritzt.

Ernährung

Ein wichtiger Hebel bei der Behandlung der Arthrose ist auch die Ernährung. In der Alternativmedizin gilt eine Entsäuerung des Körpers durch konsequentes Weglassen von tierischem Eiweiß, gluten haltigen Getreideprodukten, ungesättigten Fetten sowie Nikotin und Alkohol als Königsweg, dem anschließend die Mineralisierung des Körpers und das dauerhafte Verbleiben im basischen statt im sauren Bereich folgen sollte. Zu solch radikaler Lebensumstellung ist jedoch nur eine Minderheit der Betroffenen bereit.

Allgemeinmediziner empfehlen daher eine weitgehend gesunde, ballaststoffreiche Ernährung mit viel Gemüse und Obst, weniger Fleisch und Alkohol sowie bestimmten Nah- rungsergänzungsmitteln, die sich für viele als gangbarere Alternative darstellt.

Mit den Substanzen Glukosamin und Chondroitin, die beide auch im natürlichen Knorpel des Gelenks vorkommen, soll sich dessen Versorgung verbessern. Hyaluronsäure, oben bereits genannt, ist inzwischen auch in Kapselform erhältlich. Daneben gelten bestimmte Öle von Avocado, Soja sowie Fischöl mit Omega-3-Fettsäuren, Methylsulfonylmethan (MSM, schmerzlindernd und entgiftend), Weidenrindenextrakt (mit natürlichem Salicin = Urstoff von Aspirin) sowie das Spurenelement Selen (als Gegenspieler von eingelagerten Schwermetallen) als Helfer bei Arthrose; sie werden in unterschiedlichen Mischungen und Dosierungen kombiniert angeboten.

Bioprothese

Sind die Möglichkeiten von Ernährung, Bewegung und Schmerzmitteln ausgereizt, muss trotzdem nicht immer ein künstliches Gelenk eingesetzt werden. Seit kurzem ist in bestimmten Fällen die "Bioprothese" eine Option, den versehrten Knorpel sozusagen aufzufüllen. Dabei wird während einer minimalinvasiven Operation (auch Abrasionsarthroplastik genannt) der betroffene Knochen unter dem zerstörten Knorpel angefräst, wobei Blut austritt und sich ein Blutkuchen bildet, der als Puffer und Ersatzknorpel dienen kann.

Ein kleiner Trost für alle, die am Ende doch ein künstliches Gelenk benötigen: Die große Mehrheit lebt zufrieden damit. Und es hält im Durchschnitt 20 Jahre.

Quelle:

  • Orthopress 2/2016
    Ausgabe NORDOST
    Autor. K. Legermann