08.04.15

Die Osteoporose-Prävention gehört heute zur gängigen Praxis. Inzwischen werde hier jedoch übertrieben, geben Teppo Järvinen und Kollegen (Universität Helsinki, Finnland) im British Medical Journal zu bedenken.
 
Im Jahr 1994 wurde die Osteoporose auf Basis der Knochendichte neu definiert. Daneben standen neue Methoden zur Frakturrisiko-Berechnung zur Verfügung. Daraus erwuchs der Anspruch, brüchige Knochen frühzeitig zu entdecken, um Frakturen zu vermeiden. Mithilfe von Medikamenten sollten die Knochen gestärkt werden.
 
Seither hat sich die Zahl der Patienten verdoppelt, die für eine medikamentöse Osteoporose-Behandlung infrage kommen. Richtet man sich nach den US-medizinischen Leitlinien, wären etwa 75% der weißen Frauen über 65 Jahren behandlungsbedürftig, erklären Järvinen et al.
 
Dass der Diagnose-Vormarsch erfolgreich war, zeige sich am Rückgang der Hüftfrakturen, wobei die Frakturen inzwischen häufiger bei Menschen ohne Osteoporose vorkämen. Doch man dürfe den Aufwand nicht vergessen: Nach einer Meta-Analyse von Teppo Järvinen et al. müssen 175 postmenopausale Frauen mit erhöhter Fragilität über drei Jahre lang medikamentös behandelt werden, um eine einzige Hüftfraktur zu vermeiden. Hinzu komme, dass die Frauen durch das Wissen um ihre fragilen Knochen verunsichert werden.
 
Orale Bisphosphonate könnten zudem zu Sodbrennen, Übelkeit und Erbrechen sowie zu atypischen Femurfrakturen und Osteonekrosen des Kiefers führen. Die Nahrungsergänzung mit Kalzium- und Vitamin-D-Präparaten werde inzwischen mit erhöhten Raten an Myokardinfarkten und Schlaganfällen in Verbindung gebracht. Bei Frauen über 80 Jahren sei die präventive Pharmakotherapie zudem kaum von Nutzen.
 
Jedes Jahr werden weltweit etwa 1,5 Millionen Hüftfrakturen diagnostiziert. Doch wie wirkungsvoll ist die Prävention wirklich? Zu berücksichtigen seien die psychologischen Folgen, so Järvinen et al.: In einer zufälligen Auswahl von 261 Frauen, bei denen die Knochendichte gemessen wurde, verhielten sich die Frauen mit geringer Knochendichte nach der Untersuchung vorsichtiger als die Frauen mit normaler Knochendichte. Viele dieser Frauen hatten plötzlich mehr Angst zu stürzen und vermieden Aktivitäten, die zu Stürzen führen könnten.
 
Teppo Järvinen und Kollegen sind der Meinung, dass aktuelle Strategien zur Hüftfraktur-Prävention weder besonders nützlich noch kosteneffektiv sind. Die marginale Reduktion der Anzahl von Hüftfrakturen gehe auf Kosten des psychischen Wohlbefindens und der Gesundheit aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Was hier zur Zeit passiere, sei ein „intellektueller Trugschluss, der noch zu bedauern sein wird“, so die Autoren.

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