11.04.16
Der Druck, der bei dem für das Zähneknirschen typischen Zusammenpressen der Zähne erreicht wird, kann bis zu 700 Kilogramm betragen. Diese enorme Kraft bleibt für das Kiefergelenk nicht ohne Folgen. Wie jedes andere Gelenk unter hoher Beanspruchung wird auch das Kiefergelenk im Laufe der Zeit gewissen Verschleiß- und Abnutzungsprozessen ausgesetzt.
 
Übersteigt die Beanspruchung die Belastbarkeit, kommt es zu kleinen Knorpelverletzungen. die einen erhöhten Abrieb zur Folge haben. Der Gelenkknorpel wird nach und nach immer dünner, während die Zerstörung der Knorpelzellen eine Entzündung der Gelenkinnenhaut begünstigt. Die Folgen sind arthrotische Veränderungen. Die begleitenden Schmerzen können bis in den Rücken wahrgenommen werden.
 
Kiefergelenk
 
Das Kiefergelenk ist das Gelenk zwischen dem Schläfenbein (Os temporale) und dem Unterkiefer (Mandibula). Es ist für die Kaubewegung verantwortlich.
 
Das Kiefergelenk kann drei Hauptbewegungen ausführen, wobei zu beachten ist, dass beide Kiefergelenke immer zusammen wirken müssen: Schlittenbewegung (vor und zurück), Scharnierbewegung (öffnen und schließen) und die Mahlbewegung (Drehbewegung, abwechselnd in beiden Gelenken).
 
Die Beißkraft, auch Bisskraft genannt, gibt an, wie hoch die Kraft des Kiefers bei einem Biss in Newton pro Quadratzentimeter (N cm−2) ist. Es handelt sich also nicht um die Angabe einer Kraft, sondern um einen Druck. Generell gilt, je größer das Tier, desto höher ist auch die Beißkraft. Die Beißkraft des Menschen beträgt ca. 800 N cm−2, die eines Wolfes ca. 590 N cm−2 und die des weißen Hais 17.500 N cm−2.
 
Entscheidend ist jedoch nicht die Beißkraft alleine, sondern die Beißkraft im Verhältnis zum Körpergewicht, der sogenannte Beißkraft Quotient. Bezogen auf die genannten Beispiele ergeben sich folgende Werte: Der Mensch und der Wolf mit einem BQ von etwa 10, der weiße Hai mit „nur“ einem BQ von ca. 5. Diese Zahlen verdeutlichen, dass das Kiefergelenk des Menschen extrem leistungsfähig ist. Dementsprechend ausgeprägt sind die Schäden bei Fehlbelastung.
 
Ursachen für eine Kiefergelenksarthrose
Mögliche Ursachen für eine Kiefergelenksarthrose sind Paradontitis, Karies, Verletzungen, Entzündungen, altersbedingte Fehlbelastungen oder nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus). Eine zentrale Rolle spielen – wie bei den Arthrosen anderer Gelenke auch - Fehlstellungen des Gelenks. Dazu kommt es, wenn das Zusammenspiel zwischen Unter- und Oberkiefer gestört ist. Ursächlich dafür sind der Verlust von Zähnen, insbesondere Backenzähne, oder schlecht eingesetzte Füllungen bzw. Zahnkronen sein.
 
Wie macht sich eine Kiefergelenksarthrose bemerkbar?
Ein Gelenkverschleiß eines Kiefergelenks macht sich in der Regel dadurch bemerkbar, dass es im Gebiss reibt, knackt oder knirscht und die Beweglichkeit eingeschränkt ist Die Betroffenen sind oft nur noch unter Schmerzen dazu in der Lage, den Mund zu öffnen. Die Folgen sind häufig nicht nur auf den Kieferbereich selbst begrenzt, sondern können sich auch auf Kopf, Nacken, Schultern und Rücken ausdehnen, Ihr Arzt spricht in diesem Zusammenhang auch von einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD). 
 
Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
 
Als craniomandibuläre Dysfunktion bezeichnet man eine schmerzhafte Fehlregulation des Kauapparates, die durch ein gestörtes Zusammenspiel verschiedener Muskeln, Sehnen und Gelenke ausgelöst wird. Diese basiert auf psychischen, strukturellen, funktionellen und biochemischen Faktoren. 5-10% der erwachsenen Bevölkerung leiden an CMD. Frauen im gebärfähigen Alter sind deutlich häufiger betroffen, die Symptome bessern sich meist während des Klimakteriums. Kinder sind nur selten betroffen, die Erkrankungshäufigkeit steigt jedoch bis zur Pubertät an.
 
Durch lange bestehendes Knirschen der Zähne (Bruxismus), Pressen oder festes Zusammenbeißen kommt es zu einer Myoarthropathie (myofaszialer Schmerz, Diskusverlagerungen des Kiefergelenkes, Arthralgie, Arthritis, Arthrose). Es wird von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen (Gene, Hormone, Entwicklungsstörungen, Haltungsstörungen, Stress, Trauma, Schlafstörungen, Depression, PTSD, Hypervigilanz und Sympathikusaktivierung, Zahnfehlstellung, Zahnextraktionen).
 
Symptome
  • diffuse Schmerzen sowohl in Ruhe als auch in Bewegung
  • Schmerzqualität: meist dumpf, beständig oder wellenförmig
  • eingeschränkte Kieferöffnung
  • Knack- und Reibegeräusche beim Öffnen und Schließen des Kiefers
  • Schmerzausstrahlung in in Mund, Nacken, Kopf, Stirn, Orbita, Schläfe, Wange, Schulter, Rücken, HWS
  • Probleme bei der Passung der Zähne
  • Ohrenschmerzen, Tinnitus
  • Zungen- oder Mundbrennen
  • Beeinträchtigung der Lebensqualität
 
 
Diagnose und Therapie 
Die genaue Ursache muss ermittelt werden. Um eine Kiefergelenksarthrose zu diagnostizieren, erfolgt zunächst eine gründliche zahnärztliche Untersuchung. Dabei. wird überprüft, ob die Ursache in einer zu hohen Füllung, unbrauchbarem Zahnersatz oder Zahnfehlstellungen liegen könnte.
 
Um den Zustand des Kiefergelenks zu überprüfen, werden bildgebende Verfahren wie Röntgen oder Ultraschall eingesetzt. Eine spezielle Methode ist das sogenannte Orthophantomogramm (OPG), eine Panoramaschichtaufnahme. Dabei werden in einer einzigen Aufnahme alle Zähne einschließlich Kiefer und Kiefergelenke abgebildet.
 
Bei der Therapie kommt es vor allem darauf an, die verantwortlichen Ursachen zu beseitigen. Bestehen diese z. B. in kariösen Defekten, ist eine Kariesbehandlung erforderlich. Darüber hinaus sind fehlerhafte Kronen, Brücken oder Zahnfüllungen zu ersetzen. Sind die Beschwerden eMD-bedingt, kann eine Kiefergelenkoder Aufbissschiene dabei helfen, die Dysbalance zwischen Ober- und Unterkiefer zu verringern.
 
Für die langfristige Behandlung einer Kiefergelenksarthrose ist es darüber hinaus wichtig, Stress abzubauen. Auf diese Weise wirkt man nicht nur dem schädlichen Zähneknir­ schen und -pressen entgegen, sondern trägt auch zum Abbau entzündlicher Prozesse bei.
 
Quellen:
 
Das Kiefergelenk in geschlossenem und geöffnetem Zustand, jeweils von seitlich betrachtet. Die Verformungen der Gelenkzwischenscheibe aus Knorpel lassen die Beanspruchung des Gelenks beim Kauen oder Beißen erahnen.(Bildquelle: Univadis)
Das Kiefergelenk in geschlossenem und geöffnetem Zustand, jeweils von seitlich betrachtet. Die Verformungen der Gelenkzwischenscheibe aus Knorpel lassen die Beanspruchung des Gelenks beim Kauen oder Beißen erahnen.(Bildquelle: Univadis)