04.06.18

Welche Art der Osteoporose wurde bei Ihnen diagnostiziert? Was bedeutet die Eingruppierung und ist sie  therapierelevant? Eine kurze Charakteristik der verschiedenen Klassifikationen.

Postmenopausale Osteoporose und Altersosteoporose

Osteoporosen werden häufig in postmenopausale Osteoporosen und  Altersosteoporosen eingeteilt. Ein weniger gebräuchlicher Ausdruck für die Altersosteoporose ist auch senile Osteoporose.

Die Grundlage dieser Einteilung ist das Alter des Patienten. Die postmenopausale Osteoporose betrifft nach dieser Klassifikation Frauen nach der Menopause bis zum Alter von 65 Jahren. Bei älteren Frauen spricht man danach von einer Altersosteoporose.

Diese Unterteilung ist mehr oder weniger willkürlich. Ursächliche Zusammenhänge werden nur insofern berücksichtigt, dass die Diagnose postmenopausale Osteoporose nur bei weiblichen Patienten zur Anwendung kommt.

Hauptkritikpunkt an der Unterteilung in postemonopausale Osteoporose und Altersosteoporose ist, dass die Entwicklung einer Osteoporose als nicht als lang andauernder Prozess verstanden wird, der durch zahlreiche Ursachen und Risikofaktoren gefördert wird, von denen der Östrogenmangel der Frau nach der Menopause nur eine Ursache unter vielen ist. Viele Orthopäden verwenden diese Einteilung daher nicht mehr.

Typ-I-Osteoporose und Typ-II-Osteoporose

In den Röhrenknochen lassen sich zwei Knochenarchitekturen unterscheiden:

  • Die Substantia spongiosa ("Spongiosa"): die innere, schwammartige Struktur mit ihren Knochenbälkchen (Trabekeln)
  • Die Substantia compacta ("Compacta"): die äußere, solide Struktur, aufgebaut aus kompaktem Knochen

Der trabekuläre Knochen (Bälkchenknochen) der Substantia spongiosa weist einen viel schnelleren Stoffwechsel (Remodeling) auf als der deutlich (Stoffwechsel-) trägere kompakte Knochen. Ein für die Osteoporose typischer Knochenabbau betrifft daher in der Regel überwiegend den trabekulären Knochen. 

Dieser Unterschied im Stoffwechsel ist das Hauptkriterium zur Einteilung einer Osteoporose in Typ I oder Typ II.

Bei der Entwicklung einer Osteoporose kommt es aufgrund verschiedener Ursachen zum Verlust an Knochenmasse und die Knochen werden brüchig. Zunächst wird die schwammartige Struktur des Knochens - die Spongiosa - geschädigt. Im weiteren Verlauf der Erkrankunge ist dann zunehmend auch die Compakta betroffen. Ist die Knochendichte nur im trabekulären Knochen erniedrigt, während der kompakte Knochen noch eine völlig normale Knochendichte aufweist, spricht man vom Typ I der Osteoporose.

Wird nach länger andauerndem krankhaft erhöhtem Knochenabbau auch der kompakte Knochen zunehmend von diesem Abbau betroffen, so dass schließlich die Knochendichten in beiden Modellen erniedrigt sind, handelt es sich um eine Osteoporose vom Typ II.

Hauptkritikpunkt an dieser Einteilung ist, dass die Unterscheidung zwischen Typ I und Typ II nur dann möglich wird, wenn die angewandte Knochendichtemessung die beiden anatomischen Knochenbereiche (Knochenarchitekturen) getrennt (selektiv) erfassen kann. Das ist zurzeit nur mit computertomographischen Verfahren möglich. Ultraschall oder die DXA-Methode sind ungeeignet.

High-turnover und Low-turnover-Osteoporose

Dieses Konzept der Klassifikation ist auch als das Fast- und Slow-Loser-Konzept bekannt.

Die Klassifikation orientiert sich an der Geschwindigkeit der zugrundeliegenden Knochenabbaurate (Dynamik) im Rahmen des sog. Remodelings.

Low-turnover-Osteoporose (Slow-Loser-Situation):

  • Geringe Knochenabbaurate
    Die Knochenabbaurate ist über das normale Maß erhöht und übersteigt die Rate des Knochenaufbaus oder die Rate des knöchernen Wiederaufbaus ist erniedrigt und sinkt unter die Rate des Knochenaufbaus

High-turnover-Osteoporose (Fast-Loser-Situation):

  • Schnelle Knochenabbaurate
    Hohe Knochenabbaurate und erniedrigte Rate des knöchernen Wiederaufbaus

Vorteil dieser Einteilung (Klassifikation) nach der Dynamik des Knochenstoffwechsels ist, dass sowohl die zugrundeliegenden Pathophysiologie (den Stoffwechsel) berücksichtigt, als auch die Möglichkeit eröffnet wird, therapeutische Konsequenzen zu ziehen. Der Orthopäde kann auf der Basis dieser Einteilung versuchen, entweder den erhöhten Knochenabbau zu bremsen bzw. zu stoppen, oder die Knochenaufbaurate zu erhöhten. Demzufolge wird er entweder Medikamente, die eine erhöhte Knochenabbaurate bremsen ("Antiresorptiva"), oder Medikamente zur Stimulation der Knochenaufbaurate  verordnen.

Präklinische und manifeste Osteoporose

Voraussetzung dafür, ob eine Osteoporose behandlungsbedürftig ist oder nicht, ist die Tatsache, ob es sich um eine sog. manifeste Osteoporose oder um ein sog. präklinische Osteoporose handelt. Diese Differenzierung gründet sich vor allem auf möglicherweise schon vorhandene Folgen der Osteoporose. Bei der Beurteilung und Wertung spielen mögliche osteoporotische Frakturen, insbesondere der Wirbelbruch oder der Oberschenkelhalsbruch, eine herausragende Rolle.

Präklinische (latente) Osteoporose

Die präklinische Osteoporose wird nur aufgrund einer erniedrigten Knochendichte definiert (WHO-Definition), ohne dass bereits osteoporotische Knochenbrüche aufgetreten sind.

Manifeste Osteoporose

Eine Osteoporose, die bereits zu osteoporotischen Knochenbrüchen geführt hat - und zwar unabhängig von der jeweils gemessenen Knochendichte, ist manifest.

Die manifeste Osteoporose ist in jedem Fall behandlungsbedürftig. Ob eine Behandlung bereits bei einer präklinischen Osteoporose indiziert ist, hängt von verschiedenen Umständen wie beispielsweise der Knochenabbaurate ab. In solchen Situationen muss der Orthopäde je nach Einzelfall entscheiden.

Primäre und sekundäre Osteoporose

Alle oben genannten Einteilungen beziehen sich auf das Vorliegen einer primären Osteoporose.

Eine primäre Osteoporose ist eine Osteoporose, die ohne erkennbare Ursachen entsteht. Man bezeichnet sie auch als idiopathische Osteoporose. Sie steht damit im Gegensatz zur sekundären Osteoporose, die durch eine Grundkrankheit verursacht wird, die unmittelbaren Einfluss auf den Knochenstoffwechsel haben.

Zur primären Osteoporose kommt es häufig

  • bei Östrogenmangel
  • beim natürlichen Alterungsprozess der Knochen
  • bei einem Mangel an Kalzium und Vitamin D
  • bei Bewegungsmangel

Sekundäre Osteoporosen kommen beispielsweise vor

  • bei einer Überfunktion der Nebennierenrinde
  • bei Schilddrüsenüberfunktion
  • bei bestimmten Medikamenten, die über einen langen Zeitraum eingenommen werden
  • bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes
  • bei übermäßigem Konsum von Alkohol, Zigaretten oder Kaffee
  • bei langer Bettlägerigkeit
  • etc.

Die Unterscheidung nach primärer und sekundärer Osteoporose hat erheblichen Einfluss auf die Therapie!

Osteoporose des Mannes

Männer sind keineswegs– wie man lange Zeit geglaubt hatte – „Osteoporose-resistent“. Die klassische Zunahme von Frakturen mit ansteigendem Lebensalter kann man nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern beobachten.

Dieser "Irrtum" hat dazu geführt, dass bei der Klassifikation der verschiedenen Osteoporoseformen fast immer die postmenopausale Osteoporose Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen war. Daher wird es in einigen Publikation als nötig erachtet, die Osteoporose des Mannes als eigene Osteoporoseform zu klassifizieren.

Einer der Gründe, warum eine Osteoporose bei Männern nicht so häufig auftritt, ist darin zu sehen, dass Männer in fast allen Dimensionen größere und dadurch auch stärkere und besser belastbare Knochen haben. Neben der kürzeren Lebenserwartung zeigt sich beim Mann kein so rascher Abbau der Knochenmasse wie bei Frauen in der Menopause.

Von der Pubertät bis hin zum mittleren Lebensalter ist die allgemeine Frakturhäufigkeit bei Männern durch Unfällen oder Verletzungen höher als bei Frauen. Hat der Mann jedoch sein 50. Lebensjahr überschritten, kehrt sich dieser Trend um: Knochenbrüche treten dann bei Frauen gleichen Alters häufiger auf als bei Männern.

Überschneidungen zwischen den Klassifikationen

Häufig ist zu lesen, dass die postmenopausale Osteoporose in etwa der Typ-I-Osteoporose und die Altersosteoporose der Typ-II-Osteoporose entsprechen. Das ist nur bedingt richtig. Die "Grauzone" zwischen den Stadien der Einteilungen ist einfach zu groß. Gleiches gilt beispielsweise für die undifferenzierte Aussage, dass der Übergang einer high turnover Osteoporose in eine low turnover Osteoporose dem stufenlosen Übergang von der Typ-I-Osteoporose zur Typ-II-Osteoporose gleichzusetzen sei. Eine genaue, auf den Patienten zugeschnittene Klassifikation der diagnostizierten Osteoporose ist daher wahrscheinlich nur durch eine Anwendung aller Klassifikationen möglich.

Quellen: