10.02.14
Hochsaison für Unfallchirurgen und Orthopäden
Rettungskräfte, Orthopäden und Unfallchirurgen haben im Winter Hochsaison. Sie sind zuständig für mehr als vier Millionen Wintersportler, von denen etwa die Hälfte das Snowboard benutzt. Je nach Disziplin unterscheiden sich die typischen Verletzungsmuster. Dementsprechend unterscheidet sich nicht nur die Risikoprofile, sondern auch die zu realisierenden Schutzmaßnahmen.
 
Der Klassenprimus der Unfallstatistik: Das Snowboard.
Zusammen mit Eishockey und Fußball (!) zählt das Snowboarding zu den gefährlichsten Freizeitsportarten (Quelle: Schweizer Unfallversicherung). Das Risiko sich zu verletzen ist doppelt so hoch wie beim Skifahren.
 
Die Hälfte aller Verletzungen betreffen Anfänger. Ein Viertel dieser Unfälle passiert bereits am ersten Tag des Urlaubs, bzw. am ersten Tag „auf der Piste“. Die mit Abstand häufigste Unfallursache ist der Sturz.
 
Ein Sturz beim Snowboarding unterscheidet sich deutlich vom Sturz beim Skifahren. Anders als der Skifahrer verwendet der Snowboarder keine Stöcke. Seine Arme bleiben frei und dienen dem Halten der Balance. Dieser Vorteil wandelt sich beim Sturzvorgang schnell in einen Nachteil, da der Stürzende instinktiv versucht, den Sturz durch das Aufstützen der Hände und Arme abzufangen. Die Folge sind Verletzungen der oberen Extremität. Auf Platz eins in der Statistik liegt die distale Radiusfraktur (Bruch des Unterarms), gefolgt von der Klavikulafraktur (Bruch des Schlüsselbeins, mit oder ohne Beteiligung des Schultergelenks). 
 
Frakturen der Beine sind bei Snowboardern im Unterschied zu den Skifahrern eher selten. Schwerere Verletzungen der Knie und Sprunggelenke sind eher die Ausnahme. Ursächlich ist, dass anders als beim Skifahren die unteren Gliedmaßen nicht „gedreht“ oder „rotiert“ werden, da die Füße fest in den Bindungen fixiert sind. Wird ein am Ende fixierter Knochen einer gegenläufigen Drehbewegung ausgesetzt, entstehen die bei Skifahrern nicht seltenen Dreh-oder Torsionsfrakturen.
 
Der Kniezerstörer: Ski alpin
Bei den Skifahrern dominieren die Knieverletzungen. Ihr Anteil an allen Verletzungen beträgt über 30%. Typische Verletzungsmuster sind Rupturen des vorderen Kreuzbandes und mediale Kollateralbandläsionen (z.B. der Innenbandriss). Mit einigem Abstand (über 20%) folgen die Verletzungen der Schulter. Die ebenfalls nicht seltenen Frakturen (Brüche) des Unterschenkels werden wie beschrieben meist durch Rotationstraumen hervorgerufen. Frauen sind generell häufiger betroffen als Männer.
 
Eine ausgezeichnete Darstellung der Häufigkeit der verletzten Körperregionen aller alpinen Skifahrer und die geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wintersaison 2012/2013 finden Sie als Schaubild auf den Seiten von springermedizin.de.
 
Was tun? Schützen Sie Ihren Körper vor Verletzungsfolgen!
Verletzungen können nur soweit vermieden werden, wie Unfälle oder Stürze reduziert werden. Anders ist es mit der Schwere von Verletzungen. Hier helfen einfache Schutzmaßnahmen wie Protektoren oder gezieltes Körpertraining.
 
  • Das Sturztraining
Ein effektives Mittel zur Vermeidung schwerer Verletzungen ist ein kurzes Sturztraining, wie es bereits in vielen Schulen angeboten wird. Hier entwickelt der zukünftige Snowboarder oder Skifahrer ein Gefühl für die Bewegungsabläufe beim Stürzen und lernt die nötigen Techniken, die beim Fallen auftretenden Energien sinnvoll ab- oder umzuleiten. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass sich viele der erlernten Techniken auch bei der Ausübung anderer Sportarten oder Alltagstätigkeiten effizient zur Vermeidung von Verletzungen nutzen lassen. Bisher hat der Schutz vor schweren Verletzungsfolgen durch Sturztraining aber lediglich Empfehlungscharakter. Zuverlässige Studien für den Bereich Wintersport fehlen noch. 
  • Der Helm
Mehr und mehr Wintersportler tragen inzwischen einen Helm, was die Anzahl an Kopfverletzungen signifikant reduzierte. Schwere Verletzungen können hierdurch oft vermieden werden. Die Befürchtung, dass durch das Tragen eines Helmes vermehrt Halswirbelsäulenverletzungen auftreten, hat sich nicht bestätigt.
 
Wichtig: Gehirnerschütterungen kann der Helm aber nicht verhindern!
 
Spätestens seit dem Unfall des Formel 1 Idols Michael Schuhmacher ist auch die Art und die Form des Helmes wieder Gegenstand der öffentlichen Diskussion (Lesetipp: Eishockeyhelm toppt Skihelm).
  • Die Handprotektoren
Grundsätzlich empfiehlt es sich auch, Handgelenkprotektoren zu tragen. Zwar bescheinigen ihnen einige Studien einen schützenden Effekt, allerdings zeigen andere, dass sie nur leichte Verletzungen verhindern und die Rate an Frakturen unverändert bleibt.
 
  • Der Rückenprotektor
Etwa die Hälfte aller Snowboarder trägt einen Rückenprotektor. Hier steht (im Unterschied beispielsweise zum Motoradfahren) der Beweis noch aus, ob diese die auftretenden Kräfte bei schweren Wirbelsäulenverletzungen überhaupt ausreichend abfedern können und somit nicht ein trügerisches Gefühl von Sicherheit vermitteln. Zudem kann ein Rückenprotektor nur bei einem direkten Anpralltrauma hilfreich sein und nicht bei der viel häufigeren axialen Stauchung.
 
Unter axialer Stauchung versteht man die indirekte Gewalt- oder Energieeinwirkung auf einen Knochen in Längsrichtung. Ein typisches Beispiel ist die axiale Stauchung der Wirbelsäule bei einem Kopfsprung ins seichte Wasser.
  • Tipps zur Vorbeugung
Dr. Peter U. Brucker von der Abteilung und Poliklinik für Sportorthopädie an der TU München und derzeit als DSV-Mannschaftsarzt in Sotschi und die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie geben Tipps zur Risikominimierung:
  • Der Skifahrer sollte fit sein: Funktionelles Training verbessert die Kraft der Streck- und Beugesmuskulatur, die Rumpfstabilität sowie die Kraftausdauer.
  • Reduktion physischer Risikofaktoren wie Knochenfehlstellungen.
  • Unkontrollierte Rücklage bzw. Stürze möglichst vermeiden und das Tempo anpassen.
  • Die Skiausrüstung auf Vordermann bringen und die Bindung durch den Fachmann kontrollieren lassen.
  • Erhalt der Konzentrationsfähigkeit und physischen Fähigkeiten durch ausreichende Energiezufuhr.
  • Ausgleich des Flüssigkeitsdefizites insbesondere in höheren Lagen.
  • Alkoholabstinenz.
  • Ermüdungsanzeichen beachten und Regenerationspausen einhalten.
  • Vor der ersten Abfahrt oder nach längeren Pausen aufwärmen.
  • Gefahren erkennen und richtig reagieren: Eispisten und Pisten mit aufgeweichtem Schnee (spätnachmittags) ebenso wie überfüllte Pisten meiden; Fahren nur auf freigegebenen und präparierten Pisten.
  • Sehleistung kontrollieren lassen, die vorhandene Sehhilfe auch beim Skifahren tragen.
  • Orthesen und Schutzkleidung tragen.
Eine Orthese ist medizinisches Hilfsmittel, das zur Stabilisierung, Entlastung, Ruhigstellung, Führung oder Korrektur von Gliedmaßen oder des Rumpfes eingesetzt wird. Der Begriff findet vor allem in der orthopädischen Versorgung Verwendung. Im korrekte Wortsinn ist aber auch ein angepasster Skischuh eine Orthese.
 
Quellen und Lesetipps: