20.07.15

Geschichte und Bedeutung
Angeregt durch Untersuchungen an ehemaligen jüdischen Insassen deutscher Konzentrationslager, die den Holocaust überlebten und sich Jahrzehnte danach in einem guten Gesundheitszustand befanden, stellte sich der israelische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky folgende Leitfrage als Grundlage seiner Forschung: „Unter welchen Bedingungen findet man Gesundheit vor bzw. warum wird oder bleibt jemand trotz widriger Umstände gesund?“

Schon bald wurde, auch untermauert durch andere Studien an Kriegsteilnehmern, deutlich, dass die Orientierung an klassischen medizinischen Ansätzen für die Erklärung von Gesundheit nicht ausreicht.

Antonovsky sah Gesundheit auch als das Ergebnis eines dynamischen Wechselverhältnisses von Schutz- und Risikofaktoren, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der Person liegen und jeweils ihre eigene Geschichte und damit auch unterschiedliche Stabilität haben können.

Der klassische Begriff der Pathogenes, als „Lehre von der Krankheitsentstehung“ war damit unzureichend geworden und wurde durch den Begriff der Salutogenese als „Lehre von der Gesundheitsentstehung“ ergänzt.

Durch die Existenz von zwei unterschiedlich auf den Menschen wirkenden Prinzipien –Pathogenes (was macht krank?) und Salutogenese (was macht gesund?) wird aber auch die klassische Alternative gesund oder krank obsolet. Nach der Lehre, die neben dem Begriff der Pathogenese auch den der Salutogenese integriert, befindet sich ein Mensch in einem ständigen Gleichgewicht, das jeder Zeit mehr oder weniger in eine Richtung tendieren kann. Man ist also nicht „entweder gesund oder krank“, sondern „mehr oder weniger gesund (bzw. krank)“.

Die Einflussfaktoren (Komponenten) in der Salutogenese
Die bestimmenden Komponenten im Gesundheitsmodell der Salutogenese sind.

  1. Stressoren
    psychosozial, physisch und biochemisch.
  2. Gesundheitliche Risikofaktoren
    Organschwächen und chronische Erkrankungen.
  3. Widerstandsquellen oder Schutzfaktoren
    genetisch, konstitutionelle und psychosozial.
  4. Derr Kohärenzsinn
    als generalisiertes, überdauerndes und dynamisches Gefühl des Vertrauens, das die zentrale Variable des Modells darstellt.

Der Kohärenzsinn
Der Kohärenzsinn ist eine globale Orientierung, die zum Ausdruck bringt, in welchem Umfang eine Person, ein Mensch ein generalisiertes, überdauerndes und dynamisches Gefühl des Vertrauens in sich selbst („Ich-Vertrauen“) besitzt, dass die eigene innere und äußere Umwelt vorhersagbar ist und dass mit großer Wahrscheinlichkeit die Dinge sich so weiterentwickeln werden, wie man es vernünftigerweise erwarten kann.

Je ausgeprägter dieses Vertrauen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Gesundheitszustandes, da ein starkes Ich-Vertrauen die bestehenden generalisierten Widerstandsquellen (= Schutzfaktoren) zur erfolgreichen Bewältigung der Spannungen, die durch Stressoren erzeugt werden, aktiviert.

Das Ich-Vertrauen stützt sich auf drei Säulen:

  1. Verstehbarkeit
    „ich muss die (Alltags-)Anforderungen kognitiv klar ordnen und verstehen können“ (Alltagsintelligenz, Alltagskompetenz).
  2. Handhabbarkeit
    „ich muss überzeugt sein,  beschreibt mit den mir zur Verfügung stehenden Handlungskompetenzen vielfältige (Alltags-)Anforderungen und Belastungen bewältigen zu können“ (Gefühl der Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeit).
  3. Bedeutsamkeit
    „ich muss das <leben als sinnhaft erfahren und überzeugt sein, dass es sich lohnt, mich mit Belastungen aktiv auseinanderzusetzen“ (Lebensperspektive).

Bedeutung für die Prävention von Erkrankungen (am Beispiel Osteoporose)
Die Gesundheitswissenschaften und insbesondere die Gesundheitspsychologie haben analog zu den Einflussfaktoren (Komponenten)  praxisorientierte Konzepte für die Gesundheitsförderung entwickelt. So werden insgesamt fünf, den Komponenten zuzuordnende  Qualitätsbereiche beschrieben, die uneingeschränkt auf die Förderung der Knochengesundheit übertragen werden können.

  1. Stressoren
    1. Sensibilisierung für Körpersignale – Belastungs- und Stresswahrnehmung
  2. Gesundheitliche Risikofaktoren
    1. Krankheitsbewältigung
    2. Beschwerde- und Schmerzmanagement
    3. Wellness
    4. Verminderung von Risikofaktoren
    5. Fraktur- und Sturzrisikoanalyse
    6. Krankheitswissen
    7. Gewichtsregulation
    8. Ernährungsberatung
    9. Raucherentwöhnung
  3. Aktivierung von Widerstandsquellen oder Schutzfaktoren
    • Stärkung von physischen (= körperlichen) Gesundheitsressourcen
    • Grundlagenausdauer
    • Beweglichkeit (Gelenkbeweglichkeit, Muskelentspannung)
    • Kraft
    • Koordination
    • Gelenk- und Muskeltraining
  4. Kohärenzsinn
    • Stärkung von psychosozialen Gesundheitsressourcen
      • Gefühl der Leistungsfähigkeit erleben
      • Problemlösestrategien erlernen
      • Gefühl der Verhaltens- und Entscheidungssicherheit spüren
      • Selbstwertschätzung erfahren
      • Soziale Kompetenz und Unterstützung erleben
      • Stimmung und Gestimmtsein positiv gestalten lernen
    • Reduzierung von Teilnehmerbarrieren und Aufbau von Bindungen
      • Persönliche Ansprache und Motivation
      • Wohnortnahe Angebote
      • Institutionelle Unterstützung

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