22.09.14
Eröffnetes Kniegelenk mit Knieendoprothese
Eröffnetes Kniegelenk mit Knieendoprothese

Mininimalinvasive Operationstechniken oder Verfahren sind unter vielen Begriffen bekannt, bzw. werden mit vielen unterschiedlichen Ausdrücken beworben. Gängige, in diesem Zusammenhang benutzte Vokabeln sind neben minimalinvasiv auch „weniger invasiv“ „Implantationen über eine reduzierte, Mini-, minimale oder kleinere Hautinzision.

Allen Verfahren bleibt unabhängig von der Bezeichnung gemein, dass der Hautschnitt auf eine Länge unter 14 cm gesenkt werden soll und kann. Dieser insbesondere kosmetische Aspekt ist auch einer der wesentlichen Gründe für die zunehmende Popularität solcher Verfahren unter Patienten. Dabei ist die Länge des Hautschnitts nach chirurgischen Kriterien eher unwichtig. Zusätzlich sollten neben der Verkürzung des Hautschnitts auch der Muskulus quadriceps geschont, die Kniescheibe nicht geschädigt und das Knie nicht nach vorne subluxiert „ausgekugelt“ werden. Als umfassendes Prinzip kann gelten, dass das operative Trauma auf das notwendige Maß zu reduzieren ist.

Mininimalinvasive Verfahren sind aus den genannten Gründen, vor allem aber wegen dem verkürzten Hautschnitt bei Patienten äußerst populär. Das gilt insbesondere auch für Knieendoprothesen (Knie-TEPS). Die Popularität ist einer der Hauptgründe für den fulminanten Anstieg dieser Operationsverfahren in den letzten Jahren. Daneben konnten durch eine Verbesserung des Prothesendesigns und Fortschritte in den Operationsverfahren die Zuwachsraten weiter gesteigert werden.

Aufgrund veränderter Patientenpopulationen ( …die Patienten werden immer älter und benötigen aufgrund des hohen Alters häufiger eine Knieendoprothese) wird sich der Trend in den nächsten Jahren zunächst fortsetzen.

Was sind aber nun die durch Studien belegten und gesicherten potenziellen Vor- und Nachteile der minimalinvasiven gegenüber der konventionellen Knieendoprothetik? Zur Klärung dieser Frage wurden 2011 28 Arbeiten ausgewertet, die Rückschlüsse auf folgende Bewertungskriterien zuließen:

  • Blutverlust
  • Weichteiltrauma
  • Postoperative Schmerzen
  • Postoperative Mobilisation
  • Beweglichkeit
  • Implantatposition
  • Komplikationen
  • Klinische Ergebnisse

Insgesamt wurden 2783 Knietotalendoprothesen in den eingeschlossenen Studien untersucht. 1417 Kniegelenke konnten den minimal invasiven Zugängen und 1266 dem konventionellen parapatellaren Zugang zugeordnet werden.

Ergebnisse als Zusammenfassung
Minimalinvasive Zugänge erlauben das Einsetzen (Implantieren) einer  Knie-Totalendoprothese über einen kürzeren Hautschnitt. Einer potenziell zügigeren Mobilisation (der Patient kann aufstehen und sich bewegen) stehen auch Risiken gegenüber. Dazu zählen die zu beobachtende beeinträchtigte Wundheilung, ein erhöhten Komplikationsrate sowie fehlerhafter Einbau von Implantaten (Implantatfehlpositionierungen).

Aus der vorliegenden Studienübersicht lässt sich kein Vorteil der minimalinvasiven Techniken bzgl. des während der Operation stattfindenden Blutverlusts ableiten. Geringere Schmerzen nach der Operation dürfen aber ebenso wie ein geringerer Schmerzmittelbedarf und eine bessere frühere Beweglichkeit und Mobilisation als gesichert gelten.

Die Komplikationsrate war insgesamt betrachtet in den minimalinvasiven Gruppen insbesondere bzgl. Des Auftretens  von Wundheilungsstörungen höher, der direkte Vergleich der der verschieden Komplikationstypen, z.B. Patellarsehnenruptur oder Kollateralbandruptur war aber nicht signifikant.

In einzelnen Studien wurde eine Beeinträchtigung der Implantatpositionierung gezeigt, die aber je nach Studie unterschiedliche Komponenten der verwendeten Prothesen bzw. Den Prothesentyp betraf. Es bleibt auch festzuhalten, dass die Qualität der Implantatpositionierung stark von der Lernkurve der Chirurgen abhängig ist. Je höher die Fallzahl, desto weniger die Probleme mit dem korrekten Einsetzen des Implantats.

Es muss bei der Bewertung der Ergebnisse beachtet werden, dass es sich bei den eingeschlossenen Studien ausschließlich um spezialisierte Einrichtungen mit erfahrenen Operateuren handelt. Komplikationsraten minimalinvasiv implantierter Knieendoprothesen in weniger spezialisierten Krankenhäusern mit geringeren Fallzahlen können sich deutlich von denen der Standardzugänge unterscheiden. Das ist gilt neben der Implantatspositionierung vor allem auch für das Risiko von Wundheilungsstörungen, die bei minimalinvasiver Implantationstechnik insgesamt vermehrt auftraten.

Fazit
In der Knietotalendoprothetik wurden durch die Fortschritte in Implantatdesign und Operationstechnik im Verlauf der letzten Jahrzehnte gute klinische Ergebnisse erreicht. 95% der implantierten Totalendoprothesen sind nach 15 Jahren noch funktionsfähig. Trotzdem existieren noch eine Fülle von Problemen, die es langfristig zu lösen gilt. Tatsächliche Problembereiche sind z. B. Veränderungen der Kniegelenkkinematik, Instabilität, eingeschränkte Anwendbarkeit bei jüngeren Patienten wegen Abrieb oder Lockerung etc. Die minimalinvasive Implantationstechnik hat in keinem dieser Bereiche einen wesentlichen Fortschritt gebracht hat. Im Gegenteil steigt mit der minimalinvasiven Technik das Risiko zweier häufiger Komplikationen der Knieendoprothetik: Fehlpositionierung der Komponenten und Wundheilungsstörungen.

Eine Operation soll dem Patienten langfristige Verbesserungen bzgl. Kniefunktion und Lebensqualität bringen. Absolute Priorität hat für den Operateur demnach die Standzeit, d.h. die Dauer der Haltbarkeit einer Prothese. Dieses Ziel darf nicht zugunsten eines kurzfristigen oder medizinisch weniger relevanten Benefits wie z.B. “kleinere Narbe“  außer Acht gelassen werden. Entscheiden sich Operateur und Patient, die minimalinvasive Technik anzuwenden, sollte der Patient  auf potenzielle Vor- und Nachteile der minimalinvasiven Technik hingewiesen werden. Dazu zählt auch die Aufklärung über eigene Erfahrungen des Operateurs mit dieser Technik. Ergeben sich während der minimalinvasiven Operation Schwierigkeiten aufgrund des eingeschränkten Zugangs, sollte eher auf einen Standardzugang gewechselt werden.

Quellen:

  • T.?Kappe?• M.?Flören?• R.?Bieger?• H.?Reichel Stellenwert der minimalinvasiven Knieendoprothetik (Orthopädische Universitätsklinik Ulm am RKU, Ulm) Quelle: Orthopäde?2011; 40 (8): 726–730