Sind lokal aufgetragene Schmerzmittel wie Gele oder Salben bei Arthroseschmerzen wirksam?

Topisches Ibuprofen punktet bei Knieschmerzen" behauptet ein Artikel der Ärztezeitung vom Juli 2011 und legt gleich mit der Behauptung nach, dass bei chronischen Knieschmerzen die topische Applikation von Ibuprofen-Gel trotz deutlich geringerer Gesamtdosis offenbar genau so gut wie die orale Einnahme dieses NSAR hilft.
NSAR sind nicht steroidale Antirheumatika. Unter diesem Begriff werden Wirkstoffe zusammengefasst, deren Wirkung sich auf einem dem Cortison verwandten Grundstoff zurückzuführen ist. Nichtsteroidale Antirheumatika hemmen hingegen die Bildung von Schmerz-Botenstoffen. So lindern sie neben Schmerzen auch Entzündungen und Fieber. Die bekanntesten Wirkstoffe dieser Gruppe sind das das Ibuprofen, das Diclofenac und das Naproxen. Die Benennung als "Antirheumatika" hat historische Gründe. In der Therapie des Arthrose bedingten Schmerzes haben sie einen festen Stellenwert.
NSAR können oral als Tablette oder gelegentlich auch intravenös als Bestandteil einer Infusion appliziert werden. Sehr geläufig, vor allem bei Sportverletzungen, ist auch die Verabreichung als Gel unmittelbar auf die betroffene, schmerzende Körperregion.
Bei Patienten sin NSAR trotz ihrer guten schmerzlindernden Wirkung vor allem wegen der unerwünschten Nebenwirkungen unbeliebt. Ein wichtiger Nebeneffekt ist der Verlust der Schutzmechanismen im Magen, die die Magenschleimhaut vor der Einwirkung des sauren Magensaftes schützen. So ist erklärbar, dass viele Patienten nach der Einnahme von Schmerzmitteln Übelkeit oder Magen-Darm-Geschwüre entwickeln. Darüber hinaus wirken die NSAR "blutverdünnend". Einige Medikamente dieser Gruppe stehen auch unter Verdacht zu Herz-und Gefäßleiden zu führen.
Aufgrund dieser auch subjektiv als unangenehm empfundenen Nebenwirkungen wäre – bei gleichem schmerzlinderndem Effekt – eine Reduktion der zu verbreichenden Dosis wünschenswert. Genau diesen Effekt verspricht die topische Anwendung mittels eines lokal aufzutragenden Gels.
Die Studie zur Wirksamkeit
Der eingangs erwähnte Artikel "Topisches Ibuprofen punktet bei Knieschmerzen" beruft sich bei seiner Aussage auf eine Studie aus Syracuse im US-Bundesstaat New York. In ihr wurden 20 Patienten mit lang andauernden Knieschmerzen verglichen dabei wurde beobachtet, wie eine viermal tägliche Applikation eines Ibuprofen-Gels (geschätzte tägliche Gesamtdosis 320 mg) im Vergleich mit der dreimal täglichen Einnahme von jeweils 800 mg Ibuprofen hinsichtlich der Schmerzbefreiung abschneidet.
Als Ergebnis konnte festgestellt werden, dass sich sowohl unter topischer als auch unter systemischer Therapie besserte das Befinden der Patienten im Behandlungsverlauf nach und nach signifikant verbesserte. Das geringfügig bessere Abschneiden von Patienten mit dem Ibuprofen-Gel ließ sich allerdings statistisch mathematisch nicht belegen.
Fakt bleibt jedoch, dass topisches Ibuprofen in dieser Patientengruppe offenbar eine wirksame und - aufgrund der deutlich geringeren systemischen Dosis - auch sehr sichere Alternative zur oralen Einnahme des NSAR war. Einschränkend für die Beurteilung bleibt jedoch die geringe Zahl der in die Studie eingeschlossenen Patienten.
Gel ist nicht gleich Gel
Die Zubereitung des Gels sollte idealerweise ist in der Lage sein, den Wirkstoff ab dem Zeitpunkt des Auftragens durch die obersten toten Hautschichten hindurchtreten und dann entsprechend einem linearen biochemischen Prozess im Bereich der Schmerzlokalisation weiter ansteigen zu lassen.
Weniger wirksam sind naturgemäß andere, insbesondere halbfeste "Gel-Wirkstoffkombinationen" mit Anfangsphasen von einer Stunde oder auch mehreren Stunden, in denen gar nichts passiert
Ein großer Schritt im Hinblick auf die Herstellung eines idealen Trägermediums (Gel) scheint mit der Entwicklung eines Mikrogels im Nanometerbereich, in dem der Wirkstoff abgekapselt durch die äußeren hautschichten gelangt um dann dosiert freigesetzt zu werden.
Aufschlüsse über die Funktion, die Wirkung und den Nutzen von Mikrogel bei der Therapie von Arthrose bedingten Schmerzen gibt eine Zusammenfassung des Experten-Roundtable: „Chancen in der topischen NSAR-Therapie“.
Ein ganz anderer Ansatz
Zu einer gänzlich anderen Schlussfolgerung gelangen zwei bereits 2008 veröffentlichte Studien der Queen Mary University London. Die Frage, ob man älteren Menschen mit arthrotischen Knien zu einem oralen oder topischen NSAR-Präparat raten soll, beantworten die Autoren dieser Studie nämlich mit dem für Mediziner eher unorthodoxen Ratschlag, den Patienten selbst die Wahl zu überlassen.
In beiden Studien hatte sich gezeigt, dass weder hinsichtlich der Effektivität noch hinsichtlich der Verträglichkeit ein bedeutender Unterschied auszumachen war. Ferner konnte festgestellt werden, dass die Patienten durchaus vernünftig entschieden: Solche mit starken und generalisierten Schmerzen votierten eher für das orale Mittel, diejenigen mit leichteren, vorübergehenden Schmerzen oder Angst vor Nebenwirkungen für die Salbe.
Fazit
Ein Behandlungsversuch mit topisch anzuwendenden NSAR lohnt sich allemal, insbesondere dann, wenn die Schmerzen noch wenig ausgeprägt sind, oder einen absehbar vorübergehend sind. Ebenfalls ratsam ist der Therapieversuch für Patienten mit großer Angst vor Nebenwirkungen. In jedem Fall sollte sich der Patient aber für den Gebrauch eines nach modernen Gesichtspunkten hergestellten Präparates entscheiden – auch dann, wenn eine höhere Zuzahlung erforderlich wird.
Quellen:
- Ärztezeitung:
Topisches Ibuprofen punktet bei Knieschmerzen - Medical Tribune:
Tabletten oder Salbe gegen den Arthroseschmerz? - Springer Gesundheits- und Pharmazieverlag:
Expertenroundtable: Topische Schmerzbehandlung mit Ibuprofen