12.12.11
Multimodale Ansätze sind Teamarbeit ...
Multimodale Ansätze sind Teamarbeit ...

Zusammenfassung der "Nationalen VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz" (Träger: Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) zum Thema " Multimodale, multi- und interdisziplinäre Behandlung und Rehabilitation bei nichtspezifischem Kreuzschmerz".

Nationale VersorgungsLeitlinien sind evidenzbasierte ärztliche Entscheidungshilfen für die strukturierte medizinische Versorgung im deutschen Gesundheitssystem.

Multimodale Programme werden in Deutschland sowohl im kurativen als auch im rehabilitativen Bereich umgesetzt.

Im kurativen Bereich wird das Ziel verfolgt, die Erkrankung zu heilen bzw. ihr Fortschreiten zu verhindern. Er beschreibt alle Maßnahmen, die landläufig unter dem Begriff "Therapie" verstanden werden. Die rehabilitative Medizin unterscheidet sich prinzipiell von der kurativen Medizin. Rehabilitation umfasst den koordinierten Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen sowie EInflussnahmen auf das physische und soziale Umfeld zur Funktionsverbesserung zum Erreichen einer größtmöglichen Eigenaktivität und zur weitestgehenden Teilhabe in allen Lebensbereichen.

Empfehlung
Patientinnen/Patienten mit chronischem nichtspezifischem Kreuzschmerz sollen, wenn weniger intensive Therapieverfahren unzureichend wirksam waren, mit multimodalen Programmen kurativ oder rehabilitativ behandelt werden.

Definition
Multimodale Behandlung und Rehabilitation sind Therapieformen, bei denen verschiedene Bausteine auf der Grundlage eines strukturierten interdisziplinären Assessments (deutsch: Einschätzung, Beurteilung, Abwägung) inhaltlich und zeitlich abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse kombiniert werden.

Die Therapien beinhalten medizinische (Pharmakotherapie, Edukation), physische (Bewegungstherapie), berufsbezogene und verhaltenstherapeutische Komponenten und sollten von mindestens drei Berufsgruppen mit unterschiedlichem therapeutischen Hintergrund durchgeführt werden (z.B. Medizin, Physiotherapie/Sporttherapie,
Psychotherapie, Ergotherapie).

Ziele
Die Ziele einer multimodalen Behandlung lassen sich in zwei Bereiche gliedern, den somatischen und den psychosozialen Bereich. Somatisch bedeutet "den Körper betreffend" oder "zum Körper gehörig".

Zusammenfassend dienen alle Ziele der funktionalen Wiederherstellung auf verschiedenen Ebenen.

Ziele in somatischen Bereich:

  • Therapie der Schmerzerkrankung mit Linderung ihrer Symptomatik, die Beeinflussung ihrer
  • Ursachenkette und die Prävention von Rezidiven,
  • Reduktion von Schmerzen und schmerzbedingter Beeinträchtigung,
  • Verbesserung von Ausdauer, Muskelkraft, Koordination und Beweglichkeit,
  • positive Beeinflussung von Risikofaktoren und Komorbiditäten (z. B. Bluthochdruck,
  • Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, metabolisches Syndrom usw.),
  • Verbesserung der funktionellen Leistungsfähigkeit.

Die vorwiegend körperlich orientierten Behandlungsteile dienen der Steigerung der Kontrollfähigkeit und des Kompetenzgefühls der Betroffenen.

Ziele im psychosozialen Bereich:

  • Verminderung psychosozialer Belastungen und psychischer Folgen oder Komorbiditäten, wie
  • Depressivität und Angst,
  • Abbau inadäquater Bewältigungsstrategien (z. B. Katastrophisieren, Schonverhalten, Durchhalteverhalten),
  • Verbesserung von Interaktions- und Kommunikationskompetenz (zur Vermeidung instrumenteller Funktionen von Schmerzverhalten),
  • Motivierung zu nachhaltiger körperlicher Aktivität,
  • Verbesserung der psychischen und sozialen Kompetenzen in Alltag und Beruf.

Therapiebausteine
Therapiebausteine sind:

  • medizinische Behandlung (z. B. medikamentöse Therapie, manuelle Therapie);
  • intensive Information und Schulung auf Basis eines biopsychosozialen Krankheitsmodells mit Inhalten zur Schmerzerkrankung und Bezug zur individuellen Problematik (z. B. psychosoziale Risikofaktoren und Bewegungsmangel);
  • konsequente Steigerung der körperlichen Aktivität (Bewegungstherapie, Sporttherapie) mit Motivierungs- und Beratungselementen für Alltagsaktivitäten und möglichst orientiert an verhaltenstherapeutischen Prinzipien;
  • psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen zur Veränderung eines maladaptiven, auf Ruhe und Schonung oder Durchhalten ausgerichteten Krankheitsverhaltens, zur Stärkung von eigenen Ressourcen im Umgang mit Schmerz und Beeinträchtigung sowie Erlernen von Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken, Bewältigungsstrategien, ggf. störungsorientierte Einzeltherapie;
  • arbeitsorientierte Trainingsprogramme unter Einbezug ergotherapeutischer Maßnahmen.

Indikationen für eine multimodale Behandlung
Die Indikation zur multimodalen Schmerztherapie für den kurativen Versorgungsbereich ist gegeben bei:

  • Erfolglosigkeit der Vortherapie;
  • Änderung der Schmerzsymptomatik (Zunahme der Schmerzen und der Beeinträchtigung, auch Zunahme von Attacken, Ausbreitung der Symptomatik, Hinzutreten neuer Schmerzlokalisationen, Wechsel des Schmerzcharakters; speziell: akute Schmerzdekompensation);
  • Zunahme des Medikamentenverbrauchs (evtl. notwendiger Medikamentenentzug, ggf. notwendige medikamentöse Neueinstellung);
  • Vorliegen psychosozialer Risikofaktoren, die an der Aufrechterhaltung der Erkrankung beteiligt sind;
    häufige Inanspruchnahme des Versorgungssystems; • Schmerzbedingte, schmerzverstärkende oder die Therapie erschwerende Komorbiditäten;

Indikationen zur multimodalen Therapie im Rahmen der Rehabilitation sind:

  • erkrankungsbedingte Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe;
  • gravierende Gefährdung oder eingetretene Minderung der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit;

Die unter dem kurativen Bereich genannten Krankheitsaspekte werden in der Rehabilitation natürlich ebenfalls berücksichtigt.

Kriterien zur Zuweisung in multimodale Behandlung
Spätestens nach 6 Wochen Schmerzdauer und alltagsrelevanten Aktivitätsein-schränkungen trotz leitliniengerechter Versorgung soll bei positivem Nachweis von Risikofaktoren zur Chronifizierung („yellow flags“) die Indikation zu einer multimodalen geprüft werden.

Zur Erinnerung: Unter Yellow flags werden psychosoziale Faktoren verstanden, die einen Einfluss auf das Schmerzverhalten des Patienten haben und die Gefahr für eine Schmerzchronifizierung vergrößern. Im Gegensatz dazu versteht man unter Red Flags Symptome, die eine schwerwiegende Erkrankung anzeigen können wie Fieber, Gewichtsverlust in kurzer Zeit, starker nächtlicher Schmerz oder eine frühere Krebserkrankung.

Bestehen die Beschwerden und alltagsrelevanten Aktivitätseinschränkungen trotz leitliniengerechter Versorgung für länger als 12 Wochen, soll die Indikation zu einer multimodalen Therapie generell geprüft werden.

Zugang

Der Zugang zu der multimodalen Behandlung erfolgt im kurativen Versorgungssektor über die Verordnung ambulanter, teilstationärer oder stationärer Behandlung durch die behandelnden Ärzte. Der Kostenträger ist die GKV (gesetzliche Krankenversicherung).

Im rehabilitativen Versorgungssektor ist ein Antrag der Versicherten bei den Rehabilitationsträgern erforderlich. Die rehabilitative Versorgung erfolgt in spezialisierten ambulanten oder stationären Rehabilitations- einrichtungen.

Berufliche (Wieder-)Eingliederung bei nichtspezifischem Kreuzschm
erz
Die berufliche Wiedereingliederung von Patientinnen/Patienten mit nichtspezifischem Kreuzschmerz ist ein wichtiges Behandlungsziel.

Art und Umfang der stufenweisen Wiedereingliederung richten sich nach verschiedenen Kriterien wie Arbeitsschwere, Arbeitsinhalte, Umsetzungsmöglichkeiten etc. und sind idealerweise zwischen Patient, Arzt und Arbeitgeber abzustimmen.

Maßnahmen zur Unterstützung der beruflichen Wiedereingliederung sollen sowohl im rehabilitativen als auch im kurativen Bereich immer geprüft und ggf. initiiert werden.

Quelle:
Alle Informationen ausser den kursiv gestzten Erläuterungen zu Fachbegriffen sind den Nationalen VersorgungsLeitlinien entnommen (NVL Kreuzschmerz Kurzfassung).