Nationale Versorgungsleitlinien: Ziele der Diagnostik und die Anamnese
Die Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz soll Hilfen für die Versorgung von Patientinnen/Patienten mit nichtspezifischem Kreuzschmerz geben. Diese Nationale VersorgungsLeitlinie adressiert somit die Diagnostik und Therapie des nichtspezifischen Kreuzschmerzes. Diagnostik und Behandlung des spezifischen Kreuzschmerzes sind nicht Inhalt dieser Leitlinie. Sie werden nur im Sinne der Aufklärung von abwendbar gefährlichen Verläufen und spezifisch behandelbaren Ursachen beschrieben.
Ziele und Umfang der Diagnostik bei nichtspezifischem Kreuzschmerz
Die Diagnostik beim Kreuzschmerz dient mehreren Zielen:
- die Ursachen der Beschwerden aufzudecken, insbesondere wenn diese einer spezifischen oder gar dringlichen Behandlung bedürfen
- der Objektivierung der Beschwerden und der daraus resultierenden Funktionsstörungen als Grundlage für die Verlaufsbeobachtung. Hierfür kann der Einsatz standardisierter Frage- und/oder Dokumentationsbögen sinnvoll sein;
- dem Aufdecken von Faktoren („Yellow Flags“), die ein Risiko für die Chronifizierung des Schmerzbildes bergen.
Unter Yellow flags werden psychosoziale Faktoren verstanden, die einen Einfluss auf das Schmerzverhalten des Patienten haben und die Gefahr für eine Schmerzchronifizierung vergrößern.
Finden sich durch Anamnese und klinische Untersuchung keine Hinweise für gefährliche Verläufe und andere ernst zu nehmende Pathologien, sollen vorerst keine weiteren diagnostischen Maßnahmen durchgeführt werden. Die Beschwerden sollen zunächst als nichtspezifischer Kreuzschmerz klassifiziert werden.
Anamnese
Am Anfang der Diagnostik von Kreuzschmerz steht eine sorgfältige Anamnese. Sie sollte Angaben zu den Schmerzcharakteristika erfassen. Begleitsymptome und Vorerkrankungen, die als Warnsignal für eine spezifische Ursache mit dringendem Behandlungsbedarf dienen („Red Flags“), sollten im Hinblick auf das Erkennen von abwendbar gefährlichen Verläufen stets erfragt werden.
Im Gegensatz zu den „Yellow Flags“ versteht man unter „Red Flags“ Symptome, die eine schwerwiegende Erkrankung anzeigen können wie Fieber, Gewichtsverlust in kurzer Zeit, starker nächtlicher Schmerz, eine frühere Krebserkrankung oder viele andere mehr
Mögliche anamnestische Hinweise auf „Red Flags“
Die folgende Auflistung zeigt beispielhaft anamnestisch zu eruierende Warnhinweise auf eine spezifische vertebragene (von der Wirbelsäule ausgehende) Ursache für Kreuzschmerzen mit oft dringendem Handlungsbedarf („Red Flags“).
- Hinweise auf eine Fraktur (Knochenbruch) geben:
- schwerwiegendes Trauma z. B. durch Autounfall oder Sturz aus größerer Höhe, Sportunfall
- Bagatelltrauma (z. B. Husten, Niesen oder schweres Heben bei älteren oder potentiellen Osteoporosepatienten)
- systemische Steroidtherapie (Therapie mit Cortison)
- Hinweise auf einen Tumor geben:
- höheres Alter
- Tumorleiden in der Vorgeschichte
- allgemeine Symptome wie Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit oder rasche Ermüdbarkeit
- Schmerz, der in Rückenlage zunimmt
- starker nächtlicher Schmerz
- Hinweise auf eine Infektion mit dringendem Handlungsbedarf geben:
- allgemeine Symptome, wie kürzlich aufgetretenes Fieber oder Schüttelfrost, Appetitlosigkeit, rasche
Ermüdbarkeit. - durchgemachte bakterielle Infektion
- i.v.-Drogenabusus
- Immunsuppression
- konsumierende Grunderkrankungen
- kürzlich zurückliegende Infiltrationsbehandlung an der Wirbelsäule (z.B. Spinalanästhesie)
- starker nächtlicher Schmerz
- allgemeine Symptome, wie kürzlich aufgetretenes Fieber oder Schüttelfrost, Appetitlosigkeit, rasche
- Hinweise auf dringlich zu behandelnde Radikulopathien/ Neuropathien geben:
- strahlenförmig in ein oder beide Beine ausstrahlende Schmerzen, ggf. verbunden mit Gefühlsstörungen wie Taubheitsgefühlen oder Kribbelparästhesien („Ameisenlaufen“) im Schmerzausbreitungsgebiet oder Schwächegefühl
- Kaudasyndrom mit plötzlich einsetzender Blasen-/Mastdarmstörung, z. B. Urinverhalt, vermehrtes Wasserlassen, Inkontinenz
Gefühlsstörung perianal/perineal - Ausgeprägtes oder zunehmendes neurologisches Defizit (Lähmung,
Sensibilitätsstörung) der unteren Extremität - Nachlassen des Schmerzes und zunehmende Lähmung bis zum kompletten Funktionsverlust des Kennmuskels (Nervenwurzeltod)
Eine Radikulopathie (Synonyme: Radikulitis, Wurzelneuritis, Wurzelsyndrom) ist die chronische oder akute Reizung oder Schädigung einer Nervenwurzel mit dadurch ausgelösten Empfindungsstörungen, Schmerzen oder Lähmungen (vgl. DocCheck Flexikon). Radikulopathien neigen auch zur Chronifizierung und führen teilweise zu chronischen Dauerschmerzen.
Eine Neuropathie ist die chronische oder akute Reizung oder Schädigung des ganzen Nerven und nicht nur der Nervenwurzel.
An die Anamnese zum Ausschluss solcher „Red Flag“ schließt sich die Erhebung möglicher Risikofaktoren für die Chronifizierung des akuten Kreuzschmerzes („Yellow Flags“) an.
Quelle:
Die detaillierten Aussagen zur "Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz" können bei www.leitlinien.de downgeloaded werden.