Nationale Versorgungsleitlinien: Risikofaktoren für die Chronifizierung von Kreuzschmerzen

Zusammenfassung der "Nationalen VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz" (Träger: Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) zum Thema Dignostik (Risikofaktoren für die Chronifizierung von Kreuzschmerzen).
Nationale VersorgungsLeitlinien sind evidenzbasierte ärztliche Entscheidungshilfen für die strukturierte medizinische Versorgung im deutschen Gesundheitssystem.
Die Diagnostik beim Kreuzschmerz dient mehreren Zielen:
- die Ursachen der Beschwerden aufzudecken, insbesondere wenn diese einer spezifischen oder gar dringlichen Behandlung bedürfen
- der Objektivierung der Beschwerden und der daraus resultierenden Funktionsstörungen als Grundlage für die Verlaufsbeobachtung. Hierfür kann der Einsatz standardisierter Frage- und/oder Dokumentationsbögen sinnvoll sein
- dem Aufdecken von Faktoren („yellow flags“), die ein Risiko für die Chronifizierung des Schmerzbildes bergen
Aufdecken von Faktoren („yellow flags“), die ein Risiko für die Chronifizierung des Schmerzbildes bergen
Unter Yellow flags werden psychosoziale Faktoren verstanden, die einen Einfluss auf das Schmerzverhalten des Patienten haben und die Gefahr für eine Schmerzchronifizierung vergrößern. Im Gegensatz dazu versteht man unter Red Flags Symptome, die eine schwerwiegende Erkrankung anzeigen können wie Fieber, Gewichtsverlust in kurzer Zeit, starker nächtlicher Schmerz oder eine frühere Krebserkrankung.
Psychosoziale und somatische Risikofaktoren für eine Chronifizierung („yellow flags“) werden während im diagnostischen Ablauf erhoben. Merkmale, die primär schmerzunabhängig sind wie Depressivität oder Zufriedenheit am Arbeitsplatz, können theoretisch schon am ersten Tag erfasst werden, an dem Patienten wegen akuter Kreuzschmerzen ihren Arzt aufsuchen.
Schmerzbezogene Merkmale wie Schmertwahrnehmung oder spezifisches, individuelles Schmerzverhalten setzen voraus, dass die Betroffenen eine Zeitlang Erfahrung mit den Schmerzen gemacht haben.
Merkmale, Hinweise oder Befunde, die auf eine Chronifizierung hindeuten werden nach Evidenzgraden bewertet und gewichtet. Synonyme für Evidenz wären beispielsweise Eindeutigkeit, Gewissheit, Klarheit oder Offensichtlichkeit. Vereinfacht ausgedrückt: Je höher der Evidenzgrad, desto wahrscheinliche, dass Personen mit diesen Merkmalen zur Chronifizierung von Kreuzschmerzen neigen.
- Starke Evidenz
- Depressivität, Distress (negativer Stress oder Stressentzug, vor allem berufs-/arbeitsbezogen)
- Neigung zum Katastrophisieren des Schmerzerlebens
- Hilfs- oder Hoffnungslosigkeit angesichts des Schmerzerlebens
- Angst-Vermeidungs-Verhalten
- passives Schmerzverhalten (z. B. ausgeprägtes Schon- und Vermeidungsverhalten)
- Moderate Evidenz
- Unterdrückung des Gedankens an den Schmerz
- überaktives Schmerzverhalten: beharrliche Arbeitsamkeit trotz Schmerzen
- Neigung zur Somatisierung
Somatisierung kann stehen für die Umwandlung von seelischen Konflikten und Belastungen in Organerkrankungen oder ein durch Suggestion erzeugtes Körpererlebnis.
- Begrenzte Evidenz
- Persönlichkeitsmerkmale
- Keine Evidenz
- psychopathologische Störungen
Weitere Faktoren
Zusätzlich zu den psychosozialen Risikofaktoren gibt es weitere Faktoren, die ebenfalls Einfluss auf das Auftreten chronischen Kreuzschmerzes haben.
- Berufliche Faktoren
- überwiegend körperliche Schwerarbeit (Tragen, Heben schwerer Lasten)
- überwiegend monotone Körperhaltung
- überwiegend Vibrationsexposition
- geringe berufliche Qualifikation
- berufliche Unzufriedenheit
- Verlust des Arbeitsplatze
- Kränkungsverhältnisse am Arbeitsplatz, chronischer Arbeitskonflikt (Mobbing)
- Iatrogene Faktoren
- mangelhafte Respektierung der multikausalen Genese;
- Überbewertung somatischer/radiologischer Befunde bei nichtspezifischen Schmerzen
- lange, schwer begründbare Krankschreibung
- Förderung passiver Therapiekonzepte
- Übertriebener Einsatz diagnostischer Maßnahmen
Iatrogen bedeutet „durch einen Arzt verursacht“. Als iatrogene Krankeheiten werden Krankheitsbilder oder Krankheitsveränderungen bezeichnet, die durch ärztliche Maßnahmen verursacht wurden, unabhängig davon, ob sie nach Stand der ärztlichen Kunst vermeidbar oder unvermeidbar waren.
Merkmale, die primär schmerzunabhängig sind (Depressivität, Zufriedenheit am Arbeitsplatz), können theoretisch schon am ersten Tag erfasst werden, an dem Menschen wegen akutem Kreuzschmerz ihre Ärztin/ihren Arzt aufsuchen. Schmerzbezogene Merkmale wie schmerzbezogene Kognitionen oder spezifisches Schmerzverhalten setzen voraus, dass der Betroffene eine Zeitlang Erfahrung mit den Schmerzen gemacht hat.
Empfehlungen
Dauern Schmerzen trotz leitliniengerechter Maßnahmen länger als 4 Wochen 3 an, sollen psychosoziale Risikofaktoren schon in der primären ärztlichen Versorgung erfasst werden.
Bei anhaltenden Schmerzen (> 12 Wochen) soll eine weitergehende somatische Diagnostik und die umfassende Diagnostik psychosozialer Einflussfaktoren erfolgen.
Quelle:
Die detaillierten Aussagen zur "Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz" können bei www.leitlinien.de downgeloaded werden.
Foto: Hermano Pila, Alicante auf Flickr.com