10.07.09
Typischer Aufbau eines Wirbels
Typischer Aufbau eines Wirbels

Der medizinische Name für Wirbel lautet Vertebrae. Dieser Ausdruck stammt vom lateinischen Wort „vertere“, was so viel wie „drehen“ bedeutet. Menschen sind Vertebraten. Mit diesem Begriff bezeichnet man Spezies, die einen segmentierten Rückenmarkskanal und einen definierten Kopf als Charakteristikum aufweisen. Neben den Säugetieren gehören auch Fische, Amphibien, Vögel und Reptilien zu den Vertebraten. Das System „Wirbelsäule“ hat sich also in der Geschichte des Lebens außerordentlich bewährt.

Die Wirbelsäule als zentrale Stütze und zentrale Leitungsbahn von Nervenimpulsen ist für uns von so außerordentlicher Bedeutung, dass sie auch in unserer Persönlichkeit fest verankert ist. Nicht umsonst sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von Rückgrat und nehmen gebeugt gehende Menschen als gebrochene Menschen wahr. Gründe genug, sich etwas ausführlicher mit dem Thema „Anatomie der Wirbelsäule“ zu befassen.

Das Wirbelsäulenskelett:
Übersicht über eine geniale Konstruktion
Unsere Wirbelsäule reicht vom Kopf bis zum Becken. Sie erlaubt Die Wirbelsäule (Columna vertebralis) ist in ihrer Gesamtheit das zentrale tragende Konstruktionselement unseres Körpers. Sie bildet nicht nur die knöcherne Mitte des Körpers, sie verbindet auch alle anderen Teile des Skelettes miteinander. und festigt den aufrechten Gang.

Die Wirbel
In ihrer Gesamtheit besteht die Wirbelsäule aus 34 bis 36 Wirbeln, die eine bewegliche Gliederkette bilden.

Diese Wirbelkörper teilen sich auf in:

  • 7 Halswirbel (Vertebrae cervicales)
  • 12 Brustwirbel (Vertebrae thoracicae)
  • 5 Lendenwirbel (Vertebrae lumbales)
  • 5 Kreuzwirbel (Vertebrae sacrales)
  • 5 Steißwirbel (Vertebrae coccygeae)

Kreuz- und Steißwirbel sind meistens fest miteinander verwachsen. Abweichungen von solchen Normen  sind häufig und nur selten ein Krankheitsgrund. Alle Wirbel sind unterschiedlich geformt, kein Wirbel ist gleich.
Von außen betrachtet, wirken Wirbel sehr kompakt und massiv. Im Inneren bestehen Sie aber aus einer sehr filigranen  Struktur, senkrecht und waagerecht vernetzter kleiner Knochenbälkchen (Trabekeln).

Diese Erscheinungsform der Knochensubstanz wird als Spongiosa bezeichnet. Das Bauprinzip der Spongiosa ermöglicht die Einsparung an Knochensubstanz bei ausreichend hoher Stabilität und damit ein geringeres Gewicht des Knochens. Darüber hinaus ermöglicht es die dynamische Anpassung an verschiedene Belastungssituationen. Bei einigen Erkrankungen wie der Osteoporose ist der Stoffwechsel der Spongiosa gestört, was zu einer mangelhaften Knochenfestigkeit führt.

Die  „Schale“ eines Wirbels besteht aus hartem Knochenmaterial, der Kompakta.

Ein typischer Wirbel besteht aus dem Wirbelkörper, dem Wirbelbogen, zwei Querfortsätzen (rechts und links), dem Dornfortsatz und vier Gelenkfortsätzen, zwei obere und zwei untere.

Durch die besondere Konstruktion der Wirbel kann die Wirbelsäule sowohl ihre Stütz- als auch ihre Bewegungsfunktion optimal wahrnehmen.

Die Stützfunktion übernimmt überwiegend der Wirbelkörper, der den Hauptteil des Gewichts trägt. Benachbarte Wirbel sind über ihre Wirbelkörper mit einer Bandscheibe und über zwei Bänder aus Bindegewebe untereinander verbunden.

Wirbelbögen und Rückseite des Wirbelkörpers bilden das Wirbelloch. Die aneinander gereihten Wirbellöcher der einzelnen Wirbel bilden in der Wirbelsäule den längs verlaufenden, beweglich Wirbelkanal, in den das Rückenmark als Teil des zentralen Nervensystems eingebettet ist.

Die Querfortsätze dienen als Muskelansatz für viele Muskeln, die der Wirbelsäule Halt geben und Bewegungen ermöglichen. Muskelverspannungen führen zu Fehlstellungen der Wirbel und umgekehrt. Das Resultat ist ein „Teufelskreis“ aus Schmerzen, den es zu durchbrechen gilt.

Die Gelenkfortsätze verbinden jeden Wirbel beweglich mit seinem oberen und unteren Nachbarwirbel. Die Zwischenwirbelgelenke steuern die Bewegungsrichtung der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte, indem sie entsprechend der Stellung der Gelenkflächen bestimmte Bewegungsrichtungen freigeben und andere blockieren. Im Bereich der Lendenwirbelsäule beispielsweise ist das Beugen und Strecken erlaubt, die Möglichkeiten zur Drehung und Seitneigung sind eingeschränkt.

Exartikulationen, Gelenkverschiebungen führen zu einer Minderung der Wirbelbeweglichkeit und über die Fehlstellung zu schweren, schmerzhaften Muskelverspannungen.

Zwischen zwei benachbarten Wirbeln existieren Öffnungen des Wirbelkanals (Foramina intervertebrales). Sie werden jeweils aus zwei benachbarten Wirbeln gebildet. Mitunter kann es durch Wirbelfehlstellungen auch zu Verengungen dieser Öffnungen und damit zu Irritationen der Nervenfasern kommen, die aus dem Rückenmark ziehend, die Zwischenräume Öffnungen passieren. Durch den Druck auf das Nervengewebe entstehen heftige Schmerzen. Man spricht von einem Kompressionssyndrom.

Der in kleine bewegliche Segmente, die Wirbel, gegliederte Aufbau der Wirbelsäule funktioniert nur schmerzfrei, wenn das komplexe Zusammenspiel aus Muskeln, Bändern, Bandscheiben und den Wirbeln selbst reibungslos funktioniert. Erkrankungen oder Fehlstellungen einzelner führen zu Rückenschmerzen.

Die Regionen der Wirbelsäule
In Abhängigkeit von der Aufteilung der Wirbel in verschiedene Typen, lässt sich die Wirbelsäule in verschiedene Abschnitte gliedern: die Halswirbelsäule, die Brustwirbelsäule, die Lendenwirbelsäule, das Kreuzbein und das Steißbein.
In jedem dieser Abschnitte sind die Wirbel (von oben nach unten) durchnummeriert. Dieses System erlaubt Ihrem Arzt eine genauer genaue Lokalisierung von Beschwerden, aber auch Maßnahmen und Befunden.

Spricht Ihr Arzt von Beschwerden im Bereich L1 – L3, dann wissen Sie, er meint den Abschnitt zwischen dem ersten und dritten Lendenwirbel.

  • C steht für Cervical (Halswirbelsäule)
  • T steht für Thorakal (Brustwirbelsäule)
  • L steht für Lumbal (Lendenwirbelsäule, Kreuzbein)
  • S steht für Sakral (Steißbein)

Die Doppel-S-Form der Wirbelsäule
In Ihrem Verlauf ist die Wirbelsäule mehrfach nach konkav nach vorne oder konkav nach hinten gebogen. Biegungen nach vorne sind Lordosen, Biegungen nach hinten Kyphosen.

  • Die Halswirbelsäule biegt nach vorne (HWS-Lordose)
  • Die Brustwirbelsäule biegt nach hinten (BWS-Kyphose)
  • Die Lendenwirbelsäule biegt wiederum nach vorne (LWS-Lordose)
  • Kreuz- und Steißbein zeigen nach hinten, die Steißbeinspitze nach vorne

Zwei Lordosen und zwei Kyphosen geben der Wirbelsäule die charakteristische Form des doppelten S.

Im Gegensatz zu Kyphosen und Lordosen ist eine Skoliose nicht natürlich. Eine Skoliose ist eine seitliche Verbiegung der Wirbelsäule, die weder aktiv noch passiv vollständig ausgleichbar ist. Sie ist mit einer Deformierung und gleichzeitigen Verdrehung der Wirbelkörper verbunden.

Die Doppel-S-Form der Wirbelsäule ist ein typisches Merkmal der Wirbelsäule eines sich im aufrechten Gang bewegenden Körpers und entscheidend für ihre Funktionsweise. Die typischen Krümmungen entstehen erst nach der Geburt.

Von herausragender Bedeutung ist die Statik des Doppel-S. Das Körperlot läuft eng an der Wirbelsäule entlang durch das Becken bis zum Boden, ohne dabei unnötig große Hebelkräfte zu verursachen. Das garantiert große Grundstabilität bei gleichzeitig großer Beweglichkeit. Darüber hinaus kann das Doppel-S Stauchungen und Stoßbelastungen in sich abfedern. Dies wäre mit einer geraden Reihe aufeinandergestapelter Knochen in Form einer Säule nicht möglich.

Die Beweglichkeit der Wirbelsäule
Die Beweglichkeit der einzelnen Wirbel gegeneinander ist relativ gering und in den verschiedenen Abschnitten der Wirbelsäule unterschiedlich. Im Bereich der Halswirbelsäule sind die einzelnen Bewegungsausschläge groß. Sie können Ihren Kopf drehen, beugen und strecken.

Die Brustwirbelsäule, die sich zwischen Hals- und Lendenwirbelsäule erstreckt, ist relativ starr.

Beweglicher ist die sich darunter anschließende Lendenwirbelsäule. Sie verankert den flexiblen Körper in dem relativ starren Beckenring und hat damit eine, aus biomechanischer Sicht gesehen, schwierige Balance zwischen Beweglichkeit und Stütze  zu erfüllen. Diese Verbindungsfunktion zwischen beweglich und fest macht sie störanfällig. Daher sind verschleißbedingte Veränderungen und Beschwerden in diesem Bereich der Wirbelsäule besonders häufig.

Das Bewegungssegment
Ein von Orthopäden häufig benutzter Begriff im Zusammenhang mit der Beweglichkeit der Wirbelsäule ist das Bewegungssegment. Ein Bewegungssegment setzt sich unter anderem zusammen aus zwei benachbarten Wirbeln, Bandscheiben, Bändern, Muskeln und Wirbelgelenken. Die Bewegungen in einem Segment sind sehr gering. Die Summe jedoch macht die große Flexibilität der Wirbelsäule aus.