06.07.15

Ausgedient: Die Einteilung nach chronischen und akuten oder spezifischen und unspezifischen Rückenschmerzen?
Die Einteilung in spezifische und unspezifische Rückenschmerzen ist üblich und in der gängigen Diagnostik sowie im allgemeinen Sprachgebrauch allgegenwärtig. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass das Attribut „unspezifisch“ im Sinne von „Ursache unbekannt“ für den Patienten nicht unbefriedigend  ist, sondern auch eine Reihe weiterer Belastungen nach sich zieht. Menschen verlangen einfache und plausible Begründungen, wenn etwas aus dem Ruder läuft. So klammert sich der Patient an die Hoffnung, irgendwo, bei irgendwem eine nachvollziehbare, am besten auch einfach zu therapierende und seine Lebensgewohnheiten nicht in Frage stellende Erklärung für seine Leiden zu erhalten und begibt sich auf eine lange Odyssee durch Arztpraxen, Kliniken und zweifelhafte populärwissenschaftliche Angebote.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Klassifikation „unspezifisch“ quasi die Lizenz zur Unterlassung differenzierter diagnostischer Untersuchungen ist. Ohne Diagnose gibt es aber keine effiziente Therapie. Der Patient wird symptomatisch behandelt, d.h., man therapiert lediglich das Symptom „Schmerz“ und nicht die Ursache des Schmerzes.

Auch die Einteilung der Rückenschmerzen nach dem Schmerzverlauf in akute, subakute oder chronische Rückenschmerzen wird von einigen führenden Schmerztherapeuten als unwissenschaftlich gebrandmarkt.

Richtig ist, dass Rückenschmerzen selbst keine Erkrankung, sondern lediglich ein Symptom einer anderen Erkrankung sind. Sinnvoll wäre daher eine Einteilung oder Therapie der Rückenschmerzen, die sich an der dem Symptom Kreuzschmerz zugrunde liegenden Pathologie orientiert.

Nozizeptiver und neuropathischer Schmerz
Ein interessanter Ansatz ist die Einteilung der Schmerzen nach der Art ihrer Entstehung. Nach der zugrunde liegenden Pathologie unterscheidet man hinsichtlich der Entstehung zwei Arten von Schmerzen: nozizeptive und neuropathische Schmerzen.

Nozizeptiv bedeutet "schmerzempfindlich". Nozizeptive Schmerzen entstehen dann, wenn Schmerzrezeptoren in anderen Geweben, z.B. in den Muskeln, in der Knochenhaut, in Sehnen, Bändern oder Zwischenwirbelgelenken durch pathologische Prozesse gereizt werden. Häufig ist die Grundursache ein Entzündungsvorgang. Neuropathische Schmerzen werden durch Nervenerkrankungen (Neuropathien) bedingt.

Ob es sich um einen nozizeptiven oder neuropathischen Schmerz handelt, kann mithilfe eines Fragebogens erhoben werden. Solche Fragebogen sind beispielsweise der von der interdisziplinären Gesellschaft für orthopädische und unfallchirurgische Schmerztherapie (IGOST) entwickelte Fragebogen oder der Paindetect®. Ersterer hilft zusätzlich zu erkennen, bei wem Rückenschmerzen chronisch werden.

Wie werden nozizeptive und neuropathische Schmerzen therapiert?
Bei nozizeptiven Schmerzen ist die Grundursache meistens ein Entzündungsvorgang in den rückennahen Strukturen. Daher sind Antiphlogistika 8entzündungshemmende Medikamente) aus der Gruppe der NSAR, COX-2-Hemmer oder Kortikoide wirksam.

Bei neuropathischen Schmerzen kommen beispielsweise trizyklische Antidepressiva  zum Einsatz. Auch krampflösende Medikamente, sogenannte  Antikonvulsiva werden als wirksame Alternative beschrieben.

Die vollständigen, von einem Expertengremium der IGOST erarbeiteten Therapieempfehlungen wurden als Leitlinie zur Behandlung von Rückenschmerzen veröffentlicht und im Oktober 2010 überarbeitet. Sie geben Ihrem Orthopäden sinnvolle, am Schmerzmechanismus ausgerichtete Empfehlungen für die Behandlung Ihrer Schmerzen.

Medizinische Leitlinien haben die Aufgabe, Ärzte  bei der Behandlung seiner Patienten zu unterstützen. Sie geben auf der Grundlage klinischer Studien Empfehlungen, welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen bei einer bestimmten Erkrankung sinnvoll sind.

Weitere Informationen zu diesem Therapiekonzept finden Sie auf den Seiten des Deutschen Orthopäden Verbandes (DOV).