17.10.11
Verschiedene Materialien an einer Endoprothese
Verschiedene Materialien an einer Endoprothese

Um die Bedeutung der unterschiedlichen Materialien für die Endoprothetik zu veranschaulichen, lohnt es sich, das „künstliche Gelenk“, die Endoprothese, in zwei Abschnitte oder Komponenten zu gliedern: den lasttragenden Teil, der durch hohe Biegefestigkeit und Belastbarkeit gekennzeichnet sein muss, und den Gleitapparat, der weitgehend abnutzungsfrei auf Reibung reagieren sollte.

Zu den lasttragenden Komponenten zählt man üblicherweise den Schaft und die Pfanne ohne Pfanneninlay. Der Gleitapparat ist das eigentliche Gelenk, gebildet aus dem Hüftkopf und dem Pfanneninlay.

Beiden Bereichen gemein ist die Anforderung an „Bioverträglichkeit“ und Korrosionsbeständigkeit. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass der Körper das Material vertragen muss und das Material nicht rosten darf.

Materialien des lasttragenden Teils
Die Verwendung körperverträglicher und beinahe abnutzungsfreier Materialien begründete den Siegeszug der modernen Endoprothetik, der noch vor Kriegsbeginn in England begann. Das Material, das die Entwicklung ins Rollen brachte, war eine Metallverbindung, die – wie so oft ursprünglich für Kriegszwecke entwickelt wurde.

  • Kobalt-Chrom-Molybdän- Legierung

Im Jahre 1939 gab die englische Marine die Entwicklung eines sogenannten „U – Boot – Stahls“ in Auftrag. Die Anforderungen waren neben der Salzwasserbeständigkeit eine hohe Belastbarkeit und eine extreme Korrosionsbeständigkeit. Damit entsprach der U-Boot Stahl, abgesehen von der Bioverträglichkeit,  auch den wichtigsten Anforderungen an ein Material, das zur Verwendung in Gelenkprothesen geeignet ist. Das Ergebnis der Entwicklung war eine Kobalt-Chrom-Molybdänverbindung, deren erstmalige Verwendung in Endoprothesen bis heute in die Forschung und Entwicklung nachwirkt. Bekannt wurde sie unter dem Handelsnamen „Vitallium“. Die anfänglich hohe Zahl der gefürchteten Ermüdungsbrüche des Materials konnte durch die Entwicklung modernerer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierungen deutlich reduziert werden.

  • Edelstahl

Mit Edelstahl wurde ab etwa 1948 experimentiert. Wiege dieser Entwicklung war wiederum England, das über lange Zeit die Pionierrolle bei der Entwicklung künstlicher Gelenke wahrnahm. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung findet Edelstahl bei der Fertigung von Endoprothesen heute nur noch selten Verwendung. Hauptargumente gegen den Gebrauch von Edelstahl sind die geringe Biegebelastbarkeit und die unzureichende Korrosionsstabilität. Als rostfreier Edelstahl mit der ISO Norm 5832-1 kommt dieses Material heute überwiegend bei der Osteosynthese (der Versorgung von Knochenbrüchen) Verwendung. Solche Osteosynthesen (Platten, Schrauben, etc.) sind temporär, d.h. sie werden nach dem Heilungsprozess wieder entfernt.

  • Titanschmiedelegierungen

Sie sind der momentan gültige Stand der Entwicklung von Materialien für lasttragende Teile, wie z.B. den Schaft oder die Pfanne. Titan, bzw. Titanlegierungen zeigen neben hoher Biege- und Ermüdungsfestigkeit auch ein ausgezeichnetes An- und Einwachsverhalten.

Aufgrund der sehr schlechten tribologischen Eigenschaften wird Titan nicht als Material für artikulierende (beweglich miteinander verbundene) Prothesenteile eingesetzt

Materialien für den Gleitapparat
Materialien für den Gleitapparat müssen hervorragende tribologische Eigenschaften aufweisen. Die Tribologie ist die Lehre von der Reibung, Schmierung und Verschleiß. Erste Pionierversuche mit Edelstahl, Plexiglas oder Teflon waren wenig befriedigend und wurden rasch aufgegeben. Der eigentliche Durchbruch erfolgte mit der erstmaligen Verwendung von Polyethylen (PE).

  • Polyethylenverbindungen

Verbindungen aus Polyethylen sind Kunststoffe. Ca. 80% aller heute implantierten Gelenke haben Polyethylen beschichtete Gleitstellen. enthalten beispielsweise alle Knieprothesen Polyethylen-Komponenten Der am häufigsten verwendete Werkstoff ist das UHMWPE (ultrahochmolekulares Polyethylen). Solche hochvernetzten Polyethylene besitzen ein deutlich besseres Abriebverhalten als konventionelle Polyethylene. Allerdings leiden auch Polyethylene unter Alterung, was zur Minderung der Materialeigenschaften führt. Angesichts der höheren Lebenserwartung steigen aber auch die Anforderungen an die Lebensdauer der Gelenkimplantate. Daher sucht man weiterhin nach Wegen, das Abriebverhalten und die Alterung von Polyethylen weiter zu optimieren.