Therapieformen: Offene, mikrochirurgische und minimalintensive Verfahren
Auch bei längeren, hartnäckigen Rückenschmerzen rät Ihr Orthopäde heute nicht mehr zur Operation. Die Gründe sind vielfältig. Einmal ist der langfristige Effekt einer Operation meist nicht besser als der einer schonenderen, konservativen Therapie. Zum anderen ist eine Operation immer mit – wenn auch eher geringen – Risiken verbunden und erfordert eine lange Rekonvaleszenz (Erholungszeit).
Angezeigt ist eine Operation beispielsweise, wenn durch einen Bandscheibenvorfall als Komplikation weitere Organschäden drohen. Symptome, die auf eine solche Komplikation im Bereich der Lendenwirbelsäule hinweisen, werden unter dem Begriff Reithosensyndrom zusammengefasst.
Das Reithosensyndrom (Kaudasyndrom)
Das Reithosen-Syndrom ist eine akute, gefährliche Folge eines Bandscheibenvorfalls oder einer Bandscheibenvorwölbung. Es wird ausgelöst, wenn eine Bandscheibe im untersten Bereich der Wirbelsäule so weit heraus gedrückt wird, dass die Kaudafasern abgedrückt werden. Ab dem 1. Lendenwirbel verlaufen nur noch die zur Innervation des Beckens und der Beine erforderlichen Spinalnerven im Wirbelkanal abwärts. Sie bilden die Cauda equina (von lateinisch für Pferdeschweif) und werden auf Deutsch als Kaudafasern bezeichnet.
Charakteristische Symptome eines Reithosensyndroms können sein:
- Taubheitsgefühl in den Beinen (in etwa in den Bereichen, in denen bei einer Reit- oder einer Fahrradhose der Boden gepolstert ist)
- Lähmungserscheinungen in den Beinen
- Keine Kontrolle über die Entleerung von Enddarm und Blase
Liegen solche Symptome vor, kann nur eine sofortige Operation bleibende Nervenschäden und Lähmungen verhindern (Rettungsdienst alarmieren!). Das Reithosensyndrom ist saber elten und kommt einmal unter tausend Bandscheibenvorfällen vor.
Andere Fälle
In allen anderen Fällen ist zunächst eine konservative Therapie angeraten. Selbst wenn Bandscheibenvorfälle starke und hartnäckige Schmerzen verursachen, kann eine gute Schmertherapie Abhilfe schaffen. Die Grundvoraussetzung für den Erfolg ist aber immer die Bereitschaft des Patienten zur Mitarbeit und regelmäßigem Training.
Wann kommen Operationen trotz des Ausbleibens schwerer Komplikationen in Frage?
Nur wenn Schmerztherapien, insbesondere multimodale Schmerztherapien keine Besserung erbracht haben, ist eine Operation zu erwägen. Dafür stehen mehrere Strategien zur Verfügung. Das gemeinsame Ziel ist es, den eingeklemmten Nerv zu entlasten.
Unterschieden werden drei Verfahren oder Ansätze:
- Offene chirurgische Verfahren
- Mikrochirurgische Techniken
- Minimal-invasive Techniken
Offene chirurgische Verfahren
Bei den offenen chirurgischen Verfahren wird die Bandscheibe freigelegt und unter Sicht operiert.
Mikrochirurgische Techniken
Bei den mikrochirurgischen Eingriffen arbeitet der Chirurg mit feinen Instrumenten unter dem Operationsmikroskop. Komplikationen sind seltener. Die Langzeitergebnisse sind besser, die Schnitte kleiner. Das gefürchtete Postdiskotomiesyndrom (erneutes Auftreten von Schmerzen) ist bei mikrochirurgischen Eingriffen in 15 Prozent, nach offenen chirurgischen Verfahren in 30 Prozent der Fälle zu beobachten.
Minimal-invasive Techniken
Inzwischen stehen minimal-invasive Verfahren zur Verfügung, bei denen die Bandscheibe nicht mehr freigelegt werden muss. Die Instrumente (Werkzeuge) werden unter Röntgensicht durch kleine Hautschnitte zusammen mit endoskopischen Minikameras bis zur Wirbelsäule vorgeschoben. Die Kameras projizieren Bilder auf große Monitore, so dass unter Sicht kontrolliert gearbeitet werden kann.
Ist der äußere Ring um die Bandscheibe noch intakt, wird mit einem Laser lediglich das überschüssige Material aus dem Inneren der Bandscheibe entfernt. Eine nur vorgewölbte Bandscheibe kann sich so zurückziehen. Beschädigte Faserringe müssen als Überstand mit feinen Instrumenten sorgfältig abgetragen werden.
Minimal-invasive Techniken sind daher nur möglich, wenn die Bandscheibe vorgewölbt oder lediglich geringfügig vorgefallen ist.