Bandscheibe: Das Postnukleotomie-Syndrom
Bei einigen Formen und Komplikationen eines Bandscheibenvorfalles muss ein chirurgischer Eingriff erwogen werden. Das gilt insbesondere dann, wenn irreparable Nervenschädigungen mit sich daraus ergebenden Lähmungen eingetreten oder als Folge absehbar sind. Der chirurgische Eingriff heißt Nukleotomie oder auch Diskotomie. Er dient der Entfernung des vorgefallen Gallertkerns der Bandscheibe.
Schmerzen und Funktionseinbußen, die entstehen, wenn eine Nukleotomie oder Diskotomie fehlschlägt, werden unter dem Begriff „Postnukleotomie-Syndrom“ oder auch „Postdiskotomie-Syndrom“ zusammengefasst.
Was sind die Ursachen für ein Postnukleotomie-Syndrom?
Es gibt zahlreiche Ursachen für die Entstehung eines Postnukleotomie-Syndroms. Dazu zählen beispielsweise eine falsche Operationsindikation, die Operation in falscher Wirbelsäulenhöhe, eine ungenügende Entlastung der Bandscheibe oder Entzündungen im Bereich des durchgeführten Eingriffs.
Die möglichen Folgen solcher Komplikationen sind fatal. Neben einer Instabilität der Wirbelsäule oder Narbenbildungen durch krankhafte Bindegewebsvermehrung nahe des Rückenmarks kann es sogar zu einem Wiederauftreten von Bandscheibenvorwölbungen oder Bandscheibenvorfällen kommen.
Wie macht sich ein Postnukleotomie-Syndrom bemerkbar?
Charakteristisch für das Postnukleotomie-Syndrom sind persistierende(anhaltende) und den Bewegungsumfang einschränkende Schmerzen in Abhängigkeit von der Höhe des Operationsbereichs und der eingetretenen Komplikation. Beispiele sind Schmerzen im LWS-Bereich, der Hüfte, im Kniegelenk oder im Bein. Die Schmerzen sind durchaus mit den Schmerzen vergleichbar, die vor der Operation aufgetreten waren und im weiteren Verlauf zur operativen Maßnahme geführt hatten. Oft entsteht daher der Eindruck, dass die schon vor der Operation vorhandenen Rückenschmerzen bestehen blieben oder sogar verstärkt wurden.
Eine allgemeingültige Aussage darüber, wann solche Symptome auftreten ist nicht möglich. Sie können sich in einem sehr variablen Zeitraum im Gefolge der Erstoperation manifestieren. Allerdings ist der Zeitpunkt des Auftretens von eminenter Bedeutung für die korrekte Diagnostik und Prognose des Syndroms.
- Bleiben die ursprünglichen Beschwerden nach der Operation bestehen, kann üblicherweise von einer fehlerhaften Lokalisation des Eingriffs oder einer fehlerhaften Operationsindikation (bzw. Fehldiagnose) ausgegangen werden.
- Das Wiederauftreten von Bandscheibenvorwölbungen oder Bandscheibenvorfällen (Reprolapse) ist eher durch ein plötzlich eintretendes Beschwerdebild gekennzeichnet, das mit gewissem zeitlichen Abstand von der Erstoperation auftritt.
- Weniger plötzliche, sich mehr langsam nach der Erstoperation entwickelnde Beschwerden weisen auf Störungen der Stabilität und der Bandscheibenintegrität hin.
Wie kann man ein Postnukleotomie-Syndrom verhindern?
Hauptgrund für das Entstehen eines Postnukleotomie-Syndroms ist vorschnelles Handeln. Die beiden wichtigsten Säulen einer effektiven Prophylaxe sind daher konsequenterweise eine absolut korrekte Diagnose mit genauer Klärung der Schmerzursache und die sorgfältige Abschätzung des möglichen Nutzens und Risikos eines operativen Eingriffs.
Vor einem Eingriff empfehlen sich daher also immer ausführliche Gespräche mit den behandelnden Orthopäden oder Neurochirurgen. Von der eher zurückhaltenden Operationsindikation ausgenommen sind natürlich sehr schwere durch einen Bandscheibenvorfall ausgelöste Rückenmarksschäden, bei denen bleibende Lähmungen oder gar der Verlust eines Organs drohen. Solche (seltenen) Notfälle stellen immer eine dringende Operationsindikation dar.
Wie kann man ein Postnukleotomie-Syndrom therapieren?
Ein Postnukleotomiesyndrom kann nur in Ausnahmefällen chirurgisch therapiert werden. Mögliche chirurgische Eingriffe sind Renukleotomien („Weitere Bandscheibenoperationen“), Versteifungen, Stabilisierungen oder die Benutzung von Bandscheibenprothesen.
Meist stehen zur Bekämpfung der chronischen Schmerzes aber nur konservative Therapiemethoden wie beispielsweise die medikamentöse Schmerztherapie zur Verfügung.
Die Schmerzmittel der ersten Wahl sind peripher wirkende Analgetika wie die sogenannten nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Daneben kommen Muskelrelaxanzien oder zentral wirkenden Analgetika (Schmerzmittel) zum Einsatz. Auf die Gefahr einer Schmerzmittelgewöhnung oder gar Schmerzmittelabhängigkeit ist grundsätzlich zu achten. Die Therapie eines (chronischen) Postnukleotomie Syndroms sollte daher durch einen erfahrenen Schmerztherapeuten oder in einer Schmerzklinik erfolgen.
Die weiterführende, spezielle Schmerztherapie ist ein Spezialgebiet mit sehr hohen Anforderungen an die Therapeuten. Häufig werden ganz individuelle Kombinationen verschiedener Verfahren der Schmerztherapie notwendig. Dieses Kombinationskonzept bezeichnet man auch als multimodal. Es bedeutet, dass verschiedene Therapien aufeinander abgestimmt werden um so das Schmerzproblem ganz gezielt anzugehen.
Eine kurze Übersicht über die möglicherweise zu kombinierenden Methoden bietet folgende Liste:
- Gezielte medikamentöse Behandlung
- Therapeutische Lokalanästhesie
- Spezielle Schmerz-Akupunktur
- „Transkutane Nervenstimulation“ (TENS)
- Physiotherapie (Krankengymnastik und andere Anwendungen)
- Progressive Muskelrelaxation
Eine Kombination mit schmerzdistanzierenden Antidepressiva (z.B. Mittel gegen Depression) kann in vielen Fällen Schmerzmittel einsparen.