26.07.10

Die Osteoporose ist in den meisten Fällen eine Erkrankung der Postmenopause, d.h. des Zeitraums nach dem Verminderung der körpereigenen Östrogenproduktion.

Östrogene (oder Estrogene) sind weibliche Geschlechtshormone aus der Klasse der Steroide. Sie werden hauptsächlich in den Eierstöcken (Ovarien), zu einem geringeren Teil auch in den Nebennieren und während einer Schwangerschaft auch in der Plazenta produziert. Nach der Menopause, den Wechseljahren,  fällt die Östrogensynthese im weiblichen Körper stark ab, weil die zur Synthese erforderlichen Follikel in den Eierstöcken fehlen. Eine der Folgen der nun verminderten Östrogenkonzentration im Körper ist die Entstehung der häufigsten Forme der Osteoporose, der sog. „postmenopausalen Osteoporose“ der Frau.

Ihre spezifische Wirkung entfalten Östrogene, indem sie sich über Rezeptoren an eine Zelloberfläche anbinden oder „andocken“. Über die Reaktion des Rezeptors werden in der Zelle Stoffwechselaktivitäten angeregt, die zu den gewünschten Ergebnissen führen. So stimulieren die Östrogene z.B. das Wachstum der Zellen der Gebärmutterschleimhaut, damit sich die befruchtete Eizelle dort einnisten kann.

Ein Hormon kann sich aber nicht mit jedem beliebigen, sondern nur mit auf die Molekülstruktur des Hormons „passenden“ Rezeptoren verbinden. Man spricht daher von dem „Schlüssel – Schloss –Prinzip“. Ein Hormon entfaltet seine Wirkung an einer Zelle nur dann, wenn diese Zelle Rezeptoren besitzt, auf die das Hormon wie ein Schlüssel zu einem Schloss passt.

Heute ist bekannt, dass auch die Osteoklasten des Knochengewebes solche spezifischen Östrogenrezeptoren auf ihrer Oberfläche besitzen. Die Osteoklasten sind die Zellen, denen beim ständigen Knochenumbau in der Balance zwischen Knochenabbau und Knochenaufbau die Funktion des Knochenabbaus zukommt. Da die Osteoklasten über abgesonderte Säuren Knochensubstanz auflösen können, um sie anschließende weiterzuverarbeiten, spricht man auch von Knochenresorption. Mit dem Begriff Resorption bezeichnet man den organischen Prozess, bei dem körpereigene oder -fremde Stoffe durch lebende Zellen aktiv aufgenommen werden.

Verbinden sich nun Östrogene mit den spezifischen Östrogenrezeptoren, wird unter anderem die Osteoklastenaktivität gehemmt und eingeschränkt. Ein ausreichend hoher Östrogenspiegel im Blut fungiert demnach als „Bremse“ für die Knochensubstanz abbauenden Osteoklasten.

Wie greifen SERM's in das Wechselspiel von Knochenabbau und Knochenaufbau ein?

SERM's (Selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren) sind Substanzen, die sich genau wie Östrogen selbst mit den Östrogenrezeptoren der Osteoklasten verbinden können und über diese Verbindung eine der Östrogenwirkung entsprechende Aktivität entfalten können. So verhindern sie auch den weiteren Knochenabbau - wahrscheinlich sogar effektiver als die Östrogene selbst. Die Folge ist ein Absinken bzw. eine Normalisierung einer krankhaft erhöhten oder durch normalen Östrogenmangel in der Menopause erhöhten Knochenabbaurate.

SERM's wirken wie auch die Bisphosphonate antiresorptiv und bremsen den Knochenabbau. Im Gegensatz zu den Bisphosphonaten entfaltet sich diese Wirkung aber nicht indirekt, sondern unmittelbar an den Osteoklasten. Außerdem werden die SERM's nicht in den Knochen eingebaut und verbleiben daher auch nicht über längere Zeit im Körper.

Auch wenn die Bezeichnung „selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren“ eine gewisse Verwandschaft zu den Östrogenen vermuten lässt, wird aus dem bisher gesagten deutlich, dass es sich bei den SERM's weder um Östrogene noch um Hormone handelt!

Verfolgt man das Modell „Schlüssel zu Schloss“ weiter, handelt es sich bei den SERM’s um den „Dietrich“, mit dem sich der Zugang zu den Osteoklasten verschafft  werden kann, ohne den Originalschlüssel zu besitzen. Der Begriff Modulation steht lediglich für Veränderung. In diesem Fall Veränderung der rezeptorgesteuerten Zellaktivität.

Welche Ergebnisse bringt die Behandlung mit  SERM`s  bei der Osteoporose?
Ebenso wie die Bisphosphonate bewirken SERM’s  eine deutliche Senkung der Knochenabbaurate und an den Wirbelkörpern eine Reduktion des Knochenbruchrisikos. Die Knochendichte nimmt unter einer Therapie mit SERM’S ebenfalls leicht zu, wenngleich wahrscheinlich weniger deutlich als bei den Bisphosphonaten.

Wann werden
SERM`s eingesetzt?
SERM‘s gehören zu den Präparaten zur Therapie einer postmenopausalen Osteoporose, deren fraktursenkende Wirkung belegt ist.  Sie sind daher wertvolle Therapeutika in der spezifischen, auf die Krankheitsursache hin ausgerichteten Therapie der Osteoporose .

Ab wann oder für wen eine spezifische Therapie in Frage kommt, entscheidet Ihr Orthopäde nach sorgfältiger Überprüfung der Behandlungsnotwendigkeit anhand verschiedener Kriterien. Eine wichtige Entscheidungshilfe sind einmal die sogenannten Leitlinien, die sich auf gesicherte Erfahrungswerte in der Therapie einer Osteoporose beziehen und die in regelmäßigen Abständen, angepasst an neue Erkenntnisse, veröffentlicht werden. Zum anderen spielen natürlich die persönliche Krankengeschichte und die besonderen Lebensumstände des Einzelnen eine wichtige Rolle. Eine pauschale Empfehlung für den Beginn einer Therapie mit SERM’s  ist aus den gegebenen Gründen nicht möglich.

Welche Handelpräparate enthalten SERM‘s?
Derzeit (2009) gibt es nur einen für die Therapie der Osteoporose zugelassenen SERM, das Raloxifen (Evista®, Optruma ® etc.). Weitere Präparate sind jedoch - ebenso wie bei anderen Osteoporose wirksamen Medikamenten - in der Entwicklung.

Wie werden
SERM‘s verabreicht?
Die derzeit verfügbaren Präparate werden nur als Tabletten verabreicht. Die übliche Tagesdosis beträgt 60mg.

Welche Nebenwirkungen haben SERM‘s?

Im Allgemeinen sind SERM‘s gut verträglich. Da sie an einem Teil der Östrogenrezeptoren ähnlich wie Östrogene wirken, sollte man sie ebenso wie Östrogene (z.B. als Kontrazeptiva) nicht einnehmen, wenn schon einmal eine Lungenembolie oder eine tiefe Beinvenenthrombose aufgetreten ist. Die Gefahr solcher Ereignisse kann - zumindest bei Risikopatientinnen – durch die Einnahme erhöht werden.

Andere, seltene Nebenwirkungen sind Hitzewallungen vor allem in den ersten 6 Behandlungsmonaten, Grippe-ähnliche Symptome, Wadenkrämpfe oder Ödeme an den Füßen und Waden.

Wegen des besonderen Wirkmechanismus sind SERM’s jedoch nicht bei jüngeren Frauen, die noch nicht in der Menopause sind, anwendbar. Abgesehen davon, dass bei Frauen vor der Menopause noch ausreichend hohe Östrogenspiegel vorhanden sind, die eine andere Ursache der Osteoporose wahrscheinlich machen, würden sich die Selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulatoren und das natürlich gebildete Östrogen gegenseitig behindern, indem sie um die Rezeptoren konkurrieren. Neben bestehenden oder in der Vorgeschichte aufgetretenen thromboembolischen Ereignissen (Venenthrombose, Lungenembolie) wird daher auch ein gebährfähiges Alter als relative Kontraindikation für die Therapie mit SERM’s angegeben.

Neben den genannten Nebenwirkungen sind aber noch andere, positive Nebeneffekte erwähnenswert. SERM’s entfalten ihre antiöstrogenen Eigenschaften natürlich auch an anderen Östrogen empfindlichen Geweben. Der bei weitem wichtigste positive Nebeneffekt von Raloxifen beispielsweise  ist die deutliche Reduktion des Risikos für das Auftreten von Östrogen-Rezeptor-Positiven Mammakarzinomen (Brustkrebs).

Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist eine oft zu beobachtende Absenkung der Blutfette, hier vor allem des Cholesterins. So kann bei postmenopausalen Frauen, die wegen eines erhöhten Cholesterinspiegels einen Lipidsenker einnehmen müssen, der Lipidsenker nicht selten sogar eingespart werden.