07.06.10

Häufigkeit
Wie bereits oben erwähnt, treten Bandscheibenvorfälle häufig im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) auf. Sie sind am häufigsten zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr werden auch andere Abschnitte der Wirbelsäule, insbesondere die Halswirbelsäule (HWS) betroffen. Im Unterschied zu den Bandscheibenvorfällen (Diskus Prolaps) können Vorwölbungen der Bandscheibe (Protrusio) schon viel früher auftreten.

Symptome
Das Vorhandensein eines pathologischen (= krankhaften) Bandscheibenbefundes in Röntgen- oder MRT-Aufnahmen muss nicht zwangsläufig zu Beschwerden führen. Nur etwa 33 % aller Patienten mit radiologisch nachgewiesenen Veränderungen in Form und Lage der Bandscheiben geben an, unter Rückenschmerzen zu leiden. Treten jedoch Symptome auf, so sind häufige, starke Schmerzen das wichtigste des Bandscheibenvorfalls im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS).

Die geschilderten Beschwerden sind nicht bei jedem Bandscheibenvorfall gleich. Maßgeblich für die Schwere der Symptomatik ist, ob und wie stark benachbarte Nerven betroffen sind, und inwieweit die so genannte Cauda equina in Mitleidenschaft gezogen ist. Maßgeblich für die Charakteristik der Symptomatik ist, welche benachbarte Nerven betroffen sind.

Das Rückenmark eines Erwachsenen endet etwa im Übergangsbereich zwischen Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS). In dem von den Lendenwirbeln gebildeten Spinalkanal befinden sich nur noch dicke Nervenfaserbündel, die den Rückenmarkskanal zwischen den Wirbeln verlassen und von dort als Nervenstränge in die unteren Extremitäten ziehen. Die Nervenfaserbündel im Spinalkanal erinnern an einen Pferdeschweif und werden deshalb lateinisch als cauda equina bezeichnet.

Wenn periphere Nervenfasern geschädigt oder gereizt sind
Der erlebte Schmerz kann als reiner Rückenschmerz empfunden werden und auf den Bereich der Lendenwirbelsäule begrenzt bleiben. Bei Schädigung der entsprechenden Nervenfasern  kann er aber auch bis in ein Bein und einen Fuß ausstrahlen. Die den Schmerz transportierenden Nervenbündel sind aber auch für die Koordination der Bewegung (die Motorik) und für die Berührungsempfindlichkeit der betroffenen Extremität zuständig. Deshalb kann es neben den Schmerzen auch zu einer Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen kommen. Störungen der Berührungsempfindlichkeit äußern sich als Taubheitsgefühle, „Kribbeln in den Beinen“. In schweren Fällen als vollständige Empfindungslosigkeit.

Lähmungen der Muskulatur sind ein Hinweis auf eine bereits schwere Kompression von Nervenfasern!

Von den betroffenen Muskelgruppen lässt sich über den entsprechenden Nerv auf den Ort  (die Höhe) des Bandscheibenvorfalls schließen. Die Wadenmuskulatur beispielsweise wird vom Spinalnerv S1 versorgt. Diese S1-Wurzel wird am häufigsten durch einen Vorfall der untersten Bandscheibe zwischen 5. Lendenwirbel und Kreuzbein - genannt L5/S1 - geschädigt.

Wenn die  Cauda equina betroffen ist

Ein sehr ausgedehnter, beinahe den vollständigen Spinalkanal verlegenden Bandscheibenvorfall, kann das im Wirbelkanal gelegene Nervenbündel, die Cauda equina treffen.

Die Cauda equina beherbergt nicht nur die Nervenfasern für die Versorgung der  Beine, sondern auch die Nervenfasern, die z. B. die Blasen- und Darmfunktion regulieren. Deshalb kann es bei einem in die Mitte vorfallenden, großen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule auch zu Beeinträchtigungen der Blasen- und Darmfunktion in Form von Harnverhalt oder Stuhlinkontinenz kommen. Eine akute Schädigung der Cauda equina ist aber eher selten (0,5 - 1%).

Sind beide Beine, die Blase, Enddarm und die Geschlechtsorgane gelähmt, oder tritt eine so genannte Reithosenanästhesie (Taubheitsgefühl an der Innenseite beider Beine sowie im Genitalbereich) auf,  spricht man von einem Cauda-equina Syndrom.

Patienten mit einem  Cauda equina Syndrom sind als Notfälle zu behandeln! Hier ist innerhalb weniger Stunden eine Operation dringend erforderlich.


Anmerkungen zum Schmerz

Patienten berichten oft, dass die durch einen Bandscheibenvorfall bedingten Schmerzen im Bein nachlassen, wenn das Bein angewinkelt wird. Andererseits kann der Patient mit einem Bandscheibenvorfall das betroffene, schmerzhafte Bein gestreckt kaum anheben, da dadurch der Schmerz verstärkt wird. Andere „Schmerzverstärker“ sind  Husten, Niesen und Pressen.

Die Stärke der Schmerzen erlaubt keinen Hinweis auf die Größe des vorgewölbten Bandscheibenanteils.

Schmerzen lassen aber auch nach, wenn der Nerv zunehmend geschädigt wird. Das liegt daran, dass schmerzleitende Nervenzellen durch dauernden Druck zerstört werden.

Nachlassende Schmerzen bei fortschreitenden Lähmungserscheinungen sind wegen der einsetzenden irreversiblen Nervenschädigung immer  ein Alarmsymptom!

Checkliste Schmerz

  • Haben Sie Rückenschmerzen (Kreuzschmerzen)?
  • Strahlen diese Schmerzen in ein Bein aus?
  • Treten diese Schmerzen gemeinsam mit Empfindungsstörungen wie Taubheit oder Kribbeln auf?
  • Treten diese Schmerzen gemeinsam mit Muskelschwäche oder Lähmungen auf?
  • Leiden Sie unter Beeinträchtigungen der Blasen- und Darmfunktion in Form von Harnverhalt oder Stuhlinkontinenz?
  • Haben Sie eine komplette Lähmung eines oder beider Beine?
  • Tritt eine so genannte Reithosenanästhesie (Taubheitsgefühl an der Innenseite beider Beine sowie im Genitalbereich) auf?