04.03.10

Fakt ist, dass viele Erwachsene (in der Schweiz jeder vierte) über 35 Jahre wegen chronischer Hüft- oder Knieschmerzen behandelt werden. Wenn die üblichen Medikamente wie beispielsweise die nicht steroidalen Antirheumatika nicht mehr vor Schmerzen schützen, nicht mehr vertragen werden oder zu spezifischen Nebenwirkungen im großen Stil führen, erhalten Patienten mit sehr schweren Schmerzzuständen manchmal Opiate.

Opiate
Als Opiate bezeichnet man bestimmte Bestandteile des Opiums. Es sind diejenigen Substanzen, die eine schmerzstillende Wirkung haben. Opium selbst wird aus dem Schlafmohn (Papaver somniferum) gewonnen. Es besteht je nach Qualität zu etwa 25 % aus Opiaten (Opiatalkaloiden). Obwohl die Opiate „rein pflanzliche“ Wirkstoffe sind, haben sie dennoch schwere Nebenwirkungen wie zum Beispiel die Atemdepression, die Hemmung der Darmtätigkeit oder die Suchtgefahr. Der Nutzen der (hervorragenden) schmerzstillenden Wirkung muss daher immer gegen die möglichen Nebenwirkungen abgewogen werden.

Die Studie
Nun haben Ärzte am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern in einer Übersichtsstudie die Wirksamkeit der gängigen Opiatpräparate an 2268 Patienten untersucht, die überwiegend an Schmerzen infolge von Hüft- und Kniearthrosen litten und die Ergebnisse im Spätherbst 2009 veröffentlicht.

Es zeigte sich, dass die Opiate zwar Schmerzen leicht lindern und die Beweglichkeit der Gelenke geringfügig verbessern. Insgesamt erwies sich die Wirksamkeit aber als überraschend klein. Auch konnte durch Dosissteigerungen die Wirkung nicht verbessert werden. Letzteres beschreibt aber einen Umstand, der bereits aus anderen Anwendungsgebieten bei denen Opiate zum Einsatz kommen, bekannt ist.

Der entscheidend neue Aspekt der Studie war jedoch, dass Patienten, die Opiate erhielten, aufgrund von Nebenwirkungen etwa viermal häufiger ihre Therapie abbrechen mussten, als Patienten, die ein Scheinmedikament (Placebo) einnahmen.

Zudem ist laut Aussage der die Studie leitenden Ärzte viel zu wenig bekannt über das Suchtpotenzial der Opiate - speziell bei Arthrose-Patienten, die oft über einen langen Zeitraum behandelt werden müssen.

Fazit
Die Forschenden warnen aufgrund der Resultate, die untersuchten Opiate bedenkenlos einzusetzen. "Ärzte sollten diese Medikamente nur mit Vorsicht verschreiben - selbst wenn Arthrosepatienten starke Schmerzen haben", sagt Peter Jüni, der Studienleiter. Daher müsse bei schwerer Arthrose ein Gelenkersatz als Alternative zu den Opiaten in Betracht gezogen werden. Allerdings gelte es, auch die Risiken eines solchen Eingriffs gründlich zu beurteilen.

Beurteilung
Das Fazit der Studie erstaunt, da es das seit vielen Jahren bekannte und praktizierte Standardprocedere sowohl bei der Verschreibung von Opiaten als auch bei der Indikationsstellung für einen Gelenkersatz widergibt. Ein Gelenkersatz hat – sofern keine Gründe vorliegen, die eine Operation unmöglich machen – immer Vorrang vor lebenslanger Opiattherapie. Ausschlaggebend dafür sind die lange Lebensdauer moderner Endoprothesen, neue, schonende Operationsverfahren und die sehr guten Resultate hinsichtlich der wiedergewonnenen Lebensqualität.

Opiate sind seit Jahrhunderten als Schmerzmittel bekannt und bewährt. Ihre Nebenwirkungen sind jedem praktizierenden Arzt geläufig. Das sorgfältige Abwägen zwischen Nutzen und Schaden bei der Verschreibung hat daher lange Tradition und ist mit Grund für die lange Zurückhaltung auch bei fortgeschrittenen, operativ nicht zu behandelnden Erkrankungszuständen.

Aus den genannten Gründen sollte die Meldung „Geringer Nutzen und hohe Risiken“ zwar zum Nachdenken anregen, aber nicht zur Panik verführen.

Quelle:
Nüesch E., Rutjes A.W.S., Husni E., Welch V., Jüni P.: Oral or transdermal opioids for osteoarthritis of the knee or hip. Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 3. Art. No.: CD003115. DOI: 10.1002/14651858. CD003115.pub2.